Torf, Liebe, Lampions

■ Im Torfkahn „Jan von Moor“ können sich Paare tief in die Augen schauen und von einem Franken staken lassen

Reichlich unwissend steige ich vom Rad herunter und schaue mich um: Links blinkt eine Bierreklame. Hinter mir quaken ein paar einsame Enten auf dem halb verrotteten Findorffer Torfhafen. Und vor mir kettet meine Freundin ihren Drahtesel an das Geländer der Torfkanal-Brücke. Warum ich hier bin? „Eine Überraschung!“ Mehr will meine Herzallerliebste nicht verraten. Nur: Was zum Teufel soll man hier schon Großartiges anfangen – hinter den Messe-Hallen und zwischen dem alten Bunker, dem stinkenden Uralt-Hafen und der Bierreklame? „Was Romantisches“, verrät meine sonst wahrlich nicht so einsilbige Lebensgefährtin.

Also stolpere ich brav hinter ihr her in die aufkommende Dunkelheit. Zum Glück regnet es nicht, denke ich mir – und falle beinahe in den alten Torfkanal, der sich plötzlich vor meinen Füßen auftut. Und so allmählich dünkt mir, was mich da erwartet. Eine romantische „Lampionfahrt für Verliebte inklusive ein Glas Sekt“ im alten Torf-Kahn – wie mir die Liebste jetzt endlich verrät.

Als Kahnpartie-Fanatiker bin ich natürlich hingerissen. Zumal die „Jan von Moor“ – so heißt unser Torfkahn, benannt nach dem alten Spitznamen der Torfbauer bei den arroganten Städtern – auch so richtig urig aussieht. Vorne hat das 1994 nachgebaute Halb-Hunte-Schiff eine klitzekleine Kajüte. Früher sind da ab und zu mal die Torfstecher drin erstickt, wenn ihr Heizofen nicht zog. Und in der kalten Jahreszeit war natürlich Hochsaison für die Torfkähne. Im Sommer haben die Moorbauern den Brennstoff gestochen. Im Winter wurde er in der Stadt gebraucht. Und mit den alten Torfkähnen über die Kanäle unter anderem aus dem Blockland oder dem Teufelsmoor herangeschippert. Bis zu 30.000 Anlandungen gab das damals vor mehr als 150 Jahren zur Hochzeit im Findorffer Torfhafen. Aber zurück zum Boot: Hinter der gefährlichen Mini-Kajüte erstrecken sich zu beiden Seiten Sitzbänke – dort wurde früher der Torf gelagert. Und ganz hinten sticht die ellenlange Ruderpinne im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge. Ein perfektes Boot für die flachen und ewig geradeaus verlaufenden Kanäle. Das jedenfalls erzählt uns alles Bernd.

Bernd ist der Skipper. Der Mann mit der Baseballmütze steht hinten am Ruder und zeigt sich durchaus allen Fragen gewachsen – obwohl er aus Nürnberg kommt und seinen fränkischen Einschlag einfach nicht unterdrücken kann. Die Marine und die Nautik-Fachhochschule haben ihn nach Bremen und auf den Torfkahn verschlagen. Egal: Das macht die Partie nur noch uriger.

Als wir ablegen sitzen wir mit zwölf „Verliebten“ auf der Jan von Moor. Genügend Platz für alle, fasst der Kahn doch maximal 19 Personen mit seinen knapp zwölf Metern Länge. Die Romantik-Lampions werden ausgegeben. Gebrauchte Laternen mit Kerzen. Der frisch verheiratete Typ mir gegenüber schmeißt seine Beleuchtung erstmal in den Kanal. Seine frisch Angetraute fischt das Ding wieder aus der braunen Brühe. Macht nichts, die Laterne brennt noch. Los geht–s mit leise knatterndem Außenborder. Bernd aus Nürnberg entschuldigt sich, aber die ganze Tour mit herkömmlichem Antrieb würde die dreifache Zeit dauern. Und sechs Stunden Romantik ist wahrscheinlich selbst für die frisch Vermählten zu viel.

Nach zwei Kilometern an verschlafenen Entenfamilien und Bisamratten vorbei ist dann Schluss mit dem Benziner. Die Schraube hängt voll Schlick. Jetzt wird gestakt. Einer der traditionellen Antriebe der Torfkähne – neben dem Segel. Stimmung wie in Venedig kommt auf. Nur dass Bernd nicht singt. Ist vielleicht auch besser. Ein singender Franke bei einer romantischen Kahnpartie ... Stattdessen gibt's endlich Sekt.

Und Ruhe! Herrlich viel Ruhe! Das Wasser plätschert am Rumpf, leise biegen wir in die kleine Hunte ein. Die Lampions schimmern. Gespräche verstummen. Alle an Bord genießen. Auch wenn Bernd es schafft, zweimal unter der Eisenbahnbrücke durchzufahren, wenn ein Zug kommt. Unter Skippern heißt das: eine Kiste Bier.

Apropos Bier! Wer eine Torfkahnpartie bucht, sollte wissen, dass die verdammten Boote kein Klo an Bord haben. Von Freundinnen überraschte Journalisten, nach sechs Litern Redaktionskaffee und einem kleinen Umtrunk nach Redaktionsschluss, sind die denkbar ungeeignetesten Mitfahrer. Wenn ... wenn da nicht Bernd wäre. Selbst in rabenschwarzer Nacht findet der Franke immer noch einen Steg.

Und den Rückweg. Sekt gibt–s auch noch mal. Der frisch verheiratete Typ, der schmeißt seine Laterne ein weiteres Mal in den Kanal. Seine frisch Angetraute fischt das Ding erneut raus. Und ich stehe wieder auf der Torfkanalbrücke, links die Bierreklame, hinter mir der alte Torfhafen, meine Freundin kettet ihr Fahrrad los ...

Jens Tittmann

Weitere Infos zu allen Fahrten gibt es bei der Bremer Bootsbau Vegesack GmbH unter Tel.:  50 50 37.