Das Kaukasus-Modell

Kriege verhindern, Wahlen vorbereiten: In Georgien spielt die OSZE ihre wohl wichtigste Rolle, in Berg-Karabach droht sie zu scheitern

BERLIN taz ■ „Tut mir Leid, aber der Hubschrauber fliegt heute nicht. Das Wetter ist zu schlecht.“ Bedauernd zuckt der Sprecher der OSZE in Tiflis die Achseln. „Wir versuchen es morgen wieder.“ Der Hubschrauber sollte eigentlich eine Gruppe von OSZE-Beobachtern an die georgisch-tschetschenische Grenze fliegen, die ihre Kollegen, die seit einer Woche dort ausharrten, ablösen wollten. In einem unwirtlichen Camp, hoch oben in den Bergen des Kaukasus, hat die OSZE Anfang dieses Jahres einen Beobachterposten eingerichtet, der kontrollieren soll, ob die tschetschenische Guerilla tatsächlich Nachschub aus Georgien bekommt, wie die russischen Militärs lange behauptet hatten.

Das Thema hatte den Konflikt zwischen Russland und Georgien so weit angeheizt, dass russische Kampfflugzeuge bereits georgische Grenzdörfer bombardierten. Auf Drängen des georgischen Präsidenten Eduard Schewardnadse richtete die OSZE dann den Beobachterposten ein, damit eine unabhängige Instanz die Vorwürfe überprüfen kann. Obwohl die OSZE-Beobachter sicher nicht die gesamte Bergregion überwachen können, erreichte die Mission doch, dass die russischen Vorwürfe deutlich leiser wurden. Die Gefahr, dass der Tschetschenienkrieg auf Georgien übergreift, scheint erst einmal gebannt.

Es gibt wohl kein anderes OSZE-Land, in dem die Organisation eine so wichtige Rolle spielt wie in Georgien. Auch wenn in Bosnien oder im Kosovo zeitweise wesentlich mehr Menschen im Auftrag der OSZE unterwegs waren, in Georgien hat sie einen anderen Status. Für Eduard Schewardnadse ist sie die wichtigste institutionelle Verbindung zum Westen. Wie für alle anderen ehemaligen Sowjetrepubliken ist die OSZE das einzige Forum, in dem diese Länder gleichberechtigt mit dem Westen an einem Tisch sitzen.

Die OSZE-Mission in Georgien vermittelt in dem Konflikt zwischen Tiflis und der Minderheit der Südosseten, die OSZE ist im Konflikt mit Abchasien engangiert, und die OSZE ist anerkannter Schiedsrichter bei allen Wahlen in Georgien. Darüber hinaus beraten Experten der OSZE die georgische Regierung in Verfassungsfragen, um so zu einem befriedigenden Kompromiss im Ringen um den Status der Minderheiten zu kommen.

Tiflis ist auch der Hauptstützpunkt für die OSZE im gesamten Südkaukasus. Von hier aus werden die Ableger in Erivan, in Baku und in Stepanakert, der Hauptstadt des selbst ernannten Staates Berg-Karabach, betreut. Die Vermittlung im Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg-Karabach ist eine der wichtigsten Aufgaben der OSZE im ehemaligen Sowjetreich. Auf dem Gipfel in Lissabon 1996 war schon die Einsetzung einer Friedenstruppe in Berg-Karabach beschlossen worden, doch bislang konnten sich die Konfliktparteien noch nicht auf einen Friedensvertrag einigen. Karabach zeigt, wie begrenzt die Möglichkeiten der OSZE sind, wenn Großmachtinteressen im Hintergrund eine Einigung vereiteln. Bis heute benutzt Russland den Konflikt, um Druck auf Aserbaidschan auszuüben, damit die dortige Regierung russischen Interessen im Ölpoker um die Reserven im Kaspischen Meer entgegenkommt. „Wenn wir nur mit den direkten Konfliktparteien zu tun hätten“, glaubt ein OSZE-Mitarbeiter, „gäbe es längst einen Friedensvertrag.“ JÜRGEN GOTTSCHLICH