schwarze taz
: Einsam, krank, tot: Neue Krimis aus Lateinamerika

Esoterisch abschweifen

Körperfunktionen und Blessuren scheinen ein Lieblingsthema lateinamerikanischer Autoren zu sein. Diesen Eindruck gewinnt man jedenfalls bei der Lektüre von zwei gerade erschienenen Krimis aus Panama und Kolumbien.

In Santiago Gamboas Roman „Verlieren ist eine Frage der Methode“ plagen den Journalisten Victor Silanpa lästige Hämorriden, während er sich bemüht, Licht in einen Mordfall zu bringen, bei dem das Opfer gepfählt wurde. Der panamaische Autor Ramón Fonseca Mora wiederum steckt in „Der Tanz der Schmetterlinge“ seinen Antihelden, den Richter Fuentemayor, mit 42 Grad Fieber ins Bett und legt ihm eine lüsterne Krankenschwester zur Genesung dazu.

Beide Romane sind, unter dem Genre-Aspekt betrachtet, seltsam: Gamboa verwendet viel Zeit auf die Skurrilitäten des Alltags, private Probleme des Protagonisten scheinen wichtiger als der Mordfall, dessen Aufklärung zunächst kaum betrieben wird. Stattdessen folgen wir dem frustrierten Macho Silanpa durch Bogotá, finden Zettel mit schlauen Sprüchen in der Rocktasche einer Schneiderpuppe, überraschen Liebespärchen in flagranti und besuchen ein Bordell, weil die Freundin keine Lust mehr hat. Und das, obwohl Silanpa eigentlich der Einzige ist, der sich um den Mordfall kümmert, da der zuständige Kriminalbeamte gänzlich von seiner Fresssucht eingenommen wird. Das alles sind Abschweifungen, die auf Dauer ermüden.

Bei Fonseca Mora liegt die Sache etwas anders. Sein Held, der weltfremde Richter Fuentemayor, tut nichts lieber als seine Pflicht und hat gerade deshalb etwas Niedliches an sich. Diese Niedlichkeit färbt des Öfteren auf die Sprache des Autors ab. Und das, obwohl es um ein Szenario aus Folter und standrechtlichen Erschießungen geht, denn Fuentemayor lebt in einem Land, in dem die Militärs mit Hilfe eines esoterischen Geheimzirkels die Schaltzentralen der Macht kontrollieren. Durch die klischeehafte Darstellung des autoritären Gehabes der Militärs und eine naive Ironie, die jede Härte entschärft, diskreditiert der Autor aber sein Thema, seine Hauptfigur und letztlich sich selbst. Dass beide Bücher so unbefriedigend erscheinen, kann nicht an den Übersetzungen liegen. Auch wenn der Argentinier Pablo De Santis in seinem Miniaturroman „Die Übersetzung“ behauptet, man könne keinen Text übersetzen, ohne ihn deutlich zu fälschen. Das kleine Buch erzählt den Hauch einer Geschichte, die ein bisschen was von Poe, Kafka, Lem und viel von Borges hat:

Ein Icherzähler reist in ein kleines Kaff namens Puerto Esfinge, wo ein Übersetzerkongress in kleinem Kreis stattfinden soll. Ein Freund hat ihn eingeladen, eine alte Liebe wird ebenfalls erwartet; natürlich fährt er hin und landet in einem mysteriösen Hotel. Am Strand sterben die Seehunde, und bald schon kommt der erste Kongressteilnehmer zu Tode.

De Santis spinnt ein feines Netz der Intrige, die nur sprachphilosophisch ergründet werden kann, denn es geht um eine seltsame Kunstsprache, deren Gebrauch Katastrophen verursacht. Da sind wir also schon wieder im Esoterischen. Aber De Santis beherrscht sein Thema gut genug, um sich nicht zu blamieren, auch wenn die Erwartungen des Lesers gegen Schluss nur gerade so erfüllt werden. Dennoch eine hübsche kleine Fingerübung, die einem einen verregneten Tag am stürmenden Atlantik erträglich machen kann. ROBERT BRACK

Santiago Gamboa: „Verlieren ist eine Frage der Methode“. Aus dem Spanischen von Stefanie Gerhold. Wagenbach, 326 Seiten, 36 DMRamón Fonseca Mora: „Der Tanz der Schmetterlinge“. Aus dem Spanischen von Lisa Grüneisen. Scherz Verlag, 205 Seiten, 14,90 DMPablo De Santis: „Die Übersetzung“. Aus dem Spanischen von Gisbert Haefs. Unionsverlag, 156 S., 26 DM