Weiße Weste kostet 200.000 Mark

Bonner Staatsanwaltschaft will das Ermittlungsverfahren gegen Helmut Kohl offensichtlich wegen „geringer Schuld“ und gegen Zahlung einer Geldstrafe einstellen. Eine solche Entscheidung würde ihm die Rückkehr in die Politik erleichtern

von KARIN NINK

Wahrscheinlich will die Staatsanwaltschaft Bonn das Verfahren gegen Exkanzler Helmut Kohl wegen „geringer Schuld“ und gegen Zahlung einer Geldstrafe von 200.000 Mark an einen gemeinnützige Organisation einstellen. Dies ist nach Paragraph 153 der Strafprozessordnung möglich, „wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht“.

Ein solches Ende des Verfahrens wäre für Kohl kein Freispruch erster Klasse, sondern ein offizielles Schuldeingeständnis. Der „Kanzler der Einheit“ könnte aber so verhindern, dass er nach einem Gerichtsverfahren möglicherweise als erster vorbestrafter Kanzler in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen würde. Das sei für Kohl die Hauptsache, sagte sein Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner am Wochenende. Schon zweimal war es Kohl in den 80er-Jahren im Zusammenhang mit der Flick-Affäre gelungen, relativ ungeschoren aus einem Ermittlungsverfahren zu kommen. Damals deckten ihn seine Vertrauten Uwe Lüthje und der CDU-Wirtschaftsberater Horst Weyrauch.

Diesmal hätte ein solcher Ausgang des Verfahrens für den Untersuchungsausschuss zur CDU-Parteispendenaffäre durchaus Vorteile. Nach Einstellung des Verfahrens hätte Kohl nicht mehr die Möglichkeit, sich vor dem Untersuchungsausschuss auf sein Aussageverweigerungsrecht zu berufen. Dann müsste er auch die Namen der Spender nennen. Ansonsten liefe er Gefahr, mit einem Ordnungsgeld oder gar mit Beugehaft belegt zu werden.

Darauf setzten die Ausschussmitglieder. SPD-Obmann Frank Hofmann fordert denn auch „unabhängig vom Ausgang“ ein schnelles Ende des Ermittlungsverfahrens. Dann müsste neben Kohl auch eine weitere „Schlüsselfigur“ der Affäre, der Kohl-Intimus Hans Terlinden, vor dem Ausschuss aussagen.

Gegen Terlinden ist ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zur Untreue anhängig. Wird das Verfahren gegen Kohl eingestellt, ist davon auszugehen, dass auch gegen Terlinden nicht weiter ermittelt wird. Zur Zeit kann sich Terlinden nach eine Entscheidung des Amtsgerichts Berlin Tiergarten auf ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht stützen.

Mit den neuen Nachrichten zum Ausgang seines Ermittlungsverfahrens wird Kohl zufrieden sein. Denn die Entscheidung wird ihm helfen, sich wieder auf der politischen Bühne zurückzumelden. CDU-Fraktionschef Friedrich Merz hatte bereits Mitte der Woche angekündigt, dass Kohl nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen ihn wieder als Redner im Bundestag, etwa zur Europapolitik auftreten könnte.

Auch bei der Frage, ob Kohl zum zehnten Jahrestag der Deutschen Einheit sprechen sollte, erhielt Kohl unerwartete Unterstützung: PDS-Fraktionsvorsitzender Gregor Gysi hatte sich dafür ausgesprochen, dass der „Architekt der Einheit“ bei der Feier in Dresden am 3. Oktober sprechen sollte.