Fidel Castros Frohe Botschaft

Kommt er, oder kommt er nicht? Und wenn er kommt, was wird er sagen? Eine kubanische Wette zu Castros möglichem Besuch auf der Expo in Hannover

von REYNALDO ESCOBAR

Der 26. Juli 2000 ist der „kubanische Tag“ auf der Weltausstellung in Hannover. An diesem Mittwoch jährt sich zum 47. Mal der Tag, an dem Fidel Castro eine revolutionäre Bewegung ins Leben rief, die Kuba in das erste – und bis heute einzige – sozialistische Land der westlichen Hemisphäre verwandelte.

Luxus der Prophezeiung

Die Nachricht, dass der Vorsitzende des Staats- und Ministerrates der Republik Kuba, Erste Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas, Oberkommandierende der Revolutionären Streitkräfte und Máximo Líder der Revolution an diesem Tag die Expo besuchen könnte, hatte für Spekulationen und Kommentare gesorgt, ja in einigen Kreisen für rechtes Gezeter. Schließlich tagt – Zufall oder nicht – genau an diesem Tag das Bundeskabinett auf der Weltausstellung. Aus dem Treffen wird nun doch nichts, denn Castro will in Havanna feiern. Doch, sagt sein Botschafter, später kommt er. Vielleicht.

Kommt Castro also, oder kommt er nicht? Und wenn er kommt: Wird er reden oder nicht? Wenn er redet: Was wird er sagen? Welche Botschaft hält er für diese Weltwunderausstellung bereit?

Hier in Kuba ist es etwas aus der Mode gekommen, auf den Inhalt seiner Reden irgendwelche Wetten abzuschließen. Nach 41 Jahren Erfahrung weiß hier wirklich jeder, was er sagt, wie er es sagt und wie lange er braucht, um es zu sagen. Aber weil man in Deutschland mit dieser Art der Prophezeiungen weniger Erfahrung hat, erlaube ich mir den Luxus, als Erster vorherzusagen, was die Frohe Botschaft des Comandante in Hannover sein wird.

Der größere Teil der Menschheit

Es ist selbstverständlich – und eine logische Folge dessen, was auf den 414 Quadratmetern des kubanischen Pavillons ausgestellt wird –, dass er die Errungenschaften des Gesundheits- und Bildungswesens der Insel herausstellen wird. Er wird das mit einer Fülle von auswendig vorgetragenen Zahlen erläutern, ohne dabei die solidarische Hilfe seines Landes für Mittelamerika in Form von Gesundheitsbrigaden zu vergessen.

Den Tourismus, der in Kuba einen immer breiteren Raum einnimmt, wird er in seiner Rede mit keinem Wort erwähnen – er mag ihn nicht. Natürlich wird er die nun zwar gemilderte, gleichwohl immer noch kriminelle Blockade verurteilen, die das imperialistische Regime der Vereinigten Staaten dem kubanischen Volk seit vierzig Jahren auferlegt, um dessen Revolution zu strangulieren.

Er wird den Cuban Adjustment Act angreifen, jenes Gesetz der USA zur Aufnahme kubanischer Flüchtlinge, aufgrund dessen Hunderttausende Kubaner (manche sagen sogar: zwei Millionen) das Land verlassen haben. Und er wird bedauern, dass die Fortschritte, die auf dem Rest des Ausstellungsgeländes zu besichtigen sind, wegen der neoliberalen Politik nur einem kleinen Teil der Menschheit zur Verfügung stehen.

Er wird auch der Versuchung nicht widerstehen können, allen Anwesenden zu erklären, dass Kuba das freieste und demokratischste Land der Welt ist, nicht obwohl es nur eine einzige Partei gibt, sondern weil es nur eine einzige Partei gibt. Er wird sagen, dass Kuba sich auf den Kampf um die Vermassung der Kultur vorbereitet, um der Invasion der Globalisierung zu widerstehen, wodurch sein Volk zum kulturvollsten und politisch bestgeschulten Volk der Welt wird. Als Beispiel dafür wird er die Erfahrung der sieben Monate des ideologischen Kampfes um die Rettung des von Miami-Kubanern entführten Flüchtlingskindes Elián González anführen.

Erst danach wird er die Nachricht bekannt geben: Er wird sagen, dass die verfaulte Welt des Kapitalismus ihrem Ende entgegensieht und dass die Zukunft – egal, wie lange sie noch auf sich warten lässt – dem Sozialismus gehört. Falls er kommt, falls er spricht.

Nur in Kuba ist Gerechtigkeit

Einige übernächtigte Kubanologen verbringen ihr Leben damit, Veränderungen und Reformen zu verkünden. Sie sehen in ein paar unausweichlichen und vorübergehenden Maßnahmen den ersten Schritt eines Übergangs zum Kapitalismus oder zur Demokratie. Fidel Castro wird sie um ihre Illusionen bringen, und er wird ihnen ganz klar sagen, dass es die anderen sind, die sich ändern müssen, denn nur in Kuba ist Gerechtigkeit möglich, Demokratie, eine nachhaltige Entwicklung. Alle anderen – der Rest der Welt – befinden sich auf einem vollkommen falschen Weg.

Er wird taktvoll genug sein, die Chinesen nicht dafür zu kritisieren, dass sie jetzt der von den Gesetzen des kapitalistischen Marktes bestimmten Welthandelsorganisation beitreten. Er wird die Vietnamesen nicht für das kürzlich mit den USA erzielte Handelsabkommen tadeln, er wird auch nichts zu den Nordkoreanern sagen, die ihrem Süd-Miami gerade die Hand reichen.

Aber er wird auf irgendeine Weise unmissverständlich klarmachen, dass über diesem großen Korallenriff, das nur 90 Meilen von der größten Supermacht der Geschichte entfernt liegt, weiterhin die Fahnen des Sozialismus wehen werden und dass Kuba der sichere Hort des Marxismus-Leninismus ist, damit die restlichen Länder der Erde, wenn der Augenblick kommt, da sie sich ihres Irrwegs besinnen, von dem Quell dieser Erfahrung trinken und so die Menschheit retten können.

Das wird die Frohe Botschaft von der Expo sein – falls Castro nach Hannover kommt, falls er redet.