stimme der kritik
: Betr.: Hans Triebel fordert einen „Verstehenstest“ in Bairisch, Fränkisch und Schwäbisch

Die Lehrer müssen`s ausbaden

Leicht haben es unsere Lehrer weiß Gott nicht. Immer vor irgendwelchen Schulklassen mit lauter unruhigen, präpubertierenden, pubertierenden oder postpubertierenden Jungs und Mädchen stehen – wer ist da schon neidisch drauf? Und dann sich immer wieder von der ganzen Welt sagen lassen zu müssen, zu wenig zu arbeiten, dauernd Ferien zu haben, also durchgängig auf der faulen Haut zu liegen – auch das ist nur gemein. Wo doch bekannt ist, dass Lehrer am häufigsten vorzeitig in Rente gehen – nicht weil sie faul sind, sondern aus gesundheitlichen Gründen, versteht sich. Denn wie auch jeder weiß: Lehrer sind die besten Kunden von Psychotherapeuten und Psychoanalytikern. Ist so ein Lehrerleben also kein leichtes, gibt es darüber hinaus noch ein Nord-Süd-Gefälle: Am allerschwersten haben es Lehrer in Bayern. Nicht nur weil Bayern Bayern ist und so seine Besonderheiten vom Weißbiertrinken übers Enzianpflücken bis zum Amigoschießen hat. Nein, auch weil es dort einen „Förderverein Bairische Sprache und Dialekte“ gibt, dessen Vorsitzender Hans Triebel gerade eine „Sofortmaßnahme“ zum Fortbestand der bayrischen Mundarten eingefordert hat. Diese lautet: Alle, die in Bayern Lehrer oder Lehrerin sind oder werden wollen, sollen sich einem „Verstehenstest“ in Bairisch, Fränkisch und Schwäbisch unterziehen. Wie genau dieser Test aussehen soll, hat der Herr Triebel zwar nicht gesagt – Schüler prüfen ihre Lehrer, Multiple Choice, hundertmal „Saupreiß“ sagen? Ganz sicher aber gibt es wieder fürchterliche Missverständnisse. Denn Triebel und seinen Leuten geht es darum, die Dialekte zu retten, die angeblich immer mehr zurückgedrängt werden. Allerdings nicht, weil die neuen Dialekte Java, Javascript, Delphi 4, Oracle oder Access heißen, wie jeder Dreikäsehoch weiß. Sondern vor allem, weil Herr Triebel etwas gegen die „Nordhochdeutsch-Sprecher“ hat, deren „Vorurteilen gegenüber den Südhochdeutsch-Sprechern“ er „aktiv und positiv begegnen“ möchte. Ob aber so ein Ansinnen die Sprachkonflikte nicht erst richtig schürt? Wissen doch alle Norddeutschen um die Verständigungsschwierigkeiten in bayrischen Bäckereien, Restaurants und Tankstellen: Wer da nicht ein paar Brocken Bairisch spricht, hat keine Chance. Was sollen bloß die Berliner sagen, die seit Jahrzehnten schon nicht mehr ein und aus wissen vor lauter Schwaben und Bayern in Kreuzberg oder Mitte. Und wer soll das nun alles wieder ausbaden: die Lehrer! GERRIT BARTELS