krieg gegen flüchlinge?
: Unausgegoren

Im Kosovo-Krieg wurden nicht die Fluchtursachen, sondern „die Flüchtlinge selbst“ bekämpft. Zu diesem Schluss kommen Helmut Dietrich und Harald Glöde in ihrem Buch „Kosovo – Der Krieg gegen die Flüchtlinge“. Schon seit Jahren sei in zahlreichen internationalen Gremien über die Bedrohung durch Flüchtlinge, die vom (und über den) Balkan einreisen, beraten worden. Nach Ansicht der Autoren kam der Nato-Krieg für die Anti-Migrations-Bürokraten der EU „wie gerufen“. Jetzt konnte der Kosovo in ein großes umzäuntes „Flüchtlingslager“ verwandelt werden.

Während des Krieges habe die EU stets eine Politik der „heimatnahen“ Flüchtlingsunterbringung verfolgt. Die Flüchtlinge sollten nicht weiter kommen als bis in die Lager nach Makedonien oder Albanien. Auf keinen Fall wollte man, wie nach dem Bosnienkrieg, Hunderttausende in Westeuropa aufnehmen. Als dann doch Flüchtlinge evakuiert wurden, hätte dies primär die Akzeptanz der Bombardements fördern sollen.

Ein Ansatz, der manche richtige Beobachtung enthält, aber unausgegoren bleibt. So wird an der linksradikalen Einschätzung festgehalten, die Nato-Angriffe hätten Milošević’ Massenvertreibungen erst ausgelöst. Warum aber sollte sich die EU dann über die Angriffe freuen, wenn sie die Flüchtlingsströme eindämmen will? Ein „Krieg gegen die Flüchtlinge“, der die Flüchtbewegung erst erzeugt – das passt nicht zusammen.

Und die Politik der „heimatnahen Unterbringung“, das Hauptthema des Buches, ist wohl deutlich weniger skandalös als von den Autoren angenommen. Natürlich wollten westliche Staaten vermeintliche Lasten im eigenen Land vermeiden. Aber auch Organisationen der Flüchtlingshilfe wie das UNHCR haben gegen eine (kurzfristige) konfliktnahe Versorgung der Flüchtlinge nichts einzuwenden. Denn sie bewerten eine baldige Rückkehr – soweit möglich – als positiv.

Doch für die Autoren des besprochenen Buches ist die Rückkehr von Flüchtlingen überhaupt kein anzustrebendes Ziel. Sie weisen das Konzept von „Heimat“ als „völkisch“ zurück. Und mit dem Philosophen Vilém Flusser postulieren sie, „dass der Mensch erst eigentlich Mensch wird, wenn er die ihn bindenden vegetabilen Wurzeln abhackt“.

Über solcherart libertäre Konzepte kann man zwar debattieren, doch scheint es den Autoren eher um das Recht auf grenzenlose Migration zu gehen als um den Schutz der Flüchtlinge vor Verfolgung. Nur so kann von einem „Krieg gegen die Flüchtlinge“ gesprochen werden. Diese sahen das wohl anders. CHRISTIAN RATH

Helmut Dietrich/Harald Glöde: „Kosovo – Der Krieg gegen die Flüchtlinge“. Verlag Libertäre Assoziation & Co., 144 Seiten, 15 Mark