Mehr als nur Fun

Globales All-Girls-Network: Die Internationale Frauenuniversität tourt mit der Filmreihe „She’s got it“ und einer Menge feministischer Visionen durch Deutschland und beschert der Expo in Hannover ein gläsernes Schnittstudio

„Für Europa ist die Kritik wesentlich“, meint die japanische Schriftstellerin Yoko Tawada. Anders gesagt: Wenn hier die Kritik langsam aber sicher durch Enter- bzw. Tittytainment ersetzt wird, sind wir nur noch ein dummer Abklatsch Amerikas. Genau daraufhin ist die Expo 2000 in Hannover konzipiert!

Dennoch finanzierte die Expo der Ingenieurin Dr. Ayla Neusel für einhundert Tage (15. Juli bis 15. Oktober) die Internationale Frauenuniversität (ifu): 900 Dozentinnen und postgraduierte Studentinnen aus 115 Ländern treffen sich in Hannover, Kassel, Bremen, Hamburg und Suderburg, um dort mit interessierten Frauen aus der Region einen kurzen Sommer lang zu diskutieren. Ihre thematischen Stichworte dabei sind „Körper“, „Arbeit“, „Migration“, „Stadt“, „Wasser“, „Information“. Aus Mecklen- burg-Vorpommern reist eine Frau an, aus Brandenburg gar keine, dafür aber allein aus Uganda 108!

Sie alle wollen zusammen so etwas Ähnliches wie ein globales Old-Girls-Network schaffen. So arbeiten zum Beispiel vier Filmemacherinnen aus Hongkong, Indien, Kenia und den USA an „Trading Images“, einem gemeinsamen Filmprojekt zu Frauenvisionen, das im September im „Gläsernen Studio“ auf dem Expo-Gelände von seiner Leiterin Brigitte Krause zu einem interkontinentalen Gesamtfilm zusammengestellt wird. Das Drehbuch zur Rahmenhandlung schrieb Yoko Tawada.

In den fünf Tagungszentren der ifu läuft außerdem noch eine feministische Filmreihe, „She’s got it“, die vom Berliner Arsenal-Kollektiv zusammengestellt wurde. Von den 80.000 Mark, die ihnen dafür die Expo bzw. der Kunstbeirat der ifu überwiesen, konnten sie immerhin noch vier (von 40 mit ihren Arbeiten vertretenen Regisseurinnen) einladen, die mit der Filmreihe durch Deutschland touren werden, u. a. die Koreanerin Byung Young-joo und die Finnin Auli Mantila.

Erstere präsentiert ihren Film „Habitual Sadness“ – über die Wohngemeinschaft einer Grupper alter Frauen, die man als junge Mädchen in japanische Militärbordelle zwangsverpflichtet hatte. Letztere zeigt ihren Film „Geographie der Angst“, in dem es um die geschlechtsspezifische Nutzer-Oberfläche von Großstädten geht. Aus Deutschland ist die Regisseurin Birgit Hein mit ihrem Film „Baby I will make you sweat“ vertreten: Ein autobiografischer Beitrag über die Suche nach sexueller Erfüllung und Liebe – in Jamaika. Aus den USA kommt „Complaints of a dutiful daughter“ von Deborah Hoffmann: Ihr Film thematisiert die Alzheimer-Erkrankung ihrer Mutter.

In den Neunzigerjahren entstanden viele feministische Filme in Afrika und Lateinamerika, jedoch seltsamerweise nur wenige in Osteuropa. Im Rahmen von „She’s got it“ wird deswegen Chantal Akermans Reisefilm „Von Osten“ gezeigt, daneben noch „Große Falken, kleine Falken“ der Tschechin Vera Chytilova, eine Komödie zum Thema Kastration von Vergewaltigern.

Gleich mehrere Filme befassen sich mit der Tragik von jungen Mädchen, die einen Mann lieben, aber einen anderen heiraten müssen bzw. mit einem brutalen Mann verheiratet sind – so „Janmadinam“ der Inderin Suma Josson, „Mossane“ von Safi Faye aus dem Senegal, „Two girls go hunting“ von Jean Lydall, „Der Kampf um den heiligen Baum“ von Wanjiru Kinyanjui aus Kenia und „Honig und Asche“ von Nadia Anliker Fares.

„Wir haben versucht, Filme auszuwählen, die repräsentativ dafür sind, was Frauen in der letzten Zeit so gemacht haben. Unser Anspruch dabei war, dem zunehmend staatlicher und eurozentristischer gewordenen Feminismus hier wieder den Anschluss an die Frauenbewegung – in der Dritten Welt etwa – zu verschaffen. Andere Länder wie Indien sind einfach weiter als wir“ – so Dorothee Wenner, die mit Stefanie Schulte-Strathaus die Filmreihe zusammenstellte. „She’s got it“ wird in Hannover, Kassel, Hamburg, Bremen und ab heute auch in Berlin im Arsenal-Kino gezeigt. HELMUT HÖGE

Weitere Informationen über das gesamte ifu-Programm sowie die Daten und Orte der Filmreihe „She’s got it“ unter www.vifu.de.