Steuern: Drei Stimmen für ein Halleluja

■ Bremen setzt seine Bundesratsstimmen für die Steuerreform ein und erhält im Gegenzug die Zusage: Der Stadtstaat bleibt / Dennoch will Bremens Regierungsspitze „nicht käuflich“ sein

Strahletag für Bremens Polit-Prominenz: Nachdem Bürgermeister Henning Scherf (SPD) und Hartmut Perschau (CDU) gestern im Bundesrat für die nötigen Stimmen zur Steuerreform sorgten, feierten sie im Rampenlicht sämtlich-bundesdeutscher Fernsehkameras die Rettung Bremens. Trotz künftig fehlender 850 Millionen Mark im Staatssäckel. Aber mit gewichtigen Finanz-Zusagen der Bundesregierung. Hochgepokert und gewonnen.

Die Rechnung der großen Koalition ging auf – mit heftigem Soll allerdings für die bremische CDU, die sich mit ihrer Zustimmung schließlich gegen die eigene Parteiführung stellte. „Die CDU ist über ihren eigenen Schatten gesprungen“, gesteht Perschau. „Unser Herz schlägt heute bremisch“, fand auch CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff. Bei dem Angebot des Bundeskanzlers hätte man angesichts der Haushaltsnotlage einfach nicht Nein sagen können – „das hätte Bremische Interessen verletzt“.

Bis zur letzten Minute hatten Scherf und Perschau ihre Entscheidung im Bundesrat spannend gemacht: Beratungen bis in die Abendstunden. Dann ein privates Treffen Scherfs mit dem Kanzler und den SPD-Ministerpräsidenten. Dabei sollen schon am Donnerstag schriftliche Zusagen der Bundesregierung eingetroffen sein, wonach die Sache hätte klar sein müssen. Kanzler Gerhard Schröder (SPD) habe eine „Schlechterstellung der finanzschwachen Länder ausgeschlossen“, erklärte das Rathaus. Wasser auf die bremischen Haushaltsmühlen, denn durch die Absenkung des Spitzensteuersatzes kann der Finanzsenator bis 2005 mit 845 Millionen Mark weniger Einnahmen kalkulieren. Soviel sei „wegen der ohnehin noch zu erbringenden Sparleistung zusätzlich nicht verkraftbar“, befand man im Rathaus.

Schließlich müsse auch der „strukturellen Eigenart der Stadtstaaten im Länderfinanzausgleich Rechnung getragen werden“, beteuerte Schröder für Bremens Jawort werbend. „Gott sei Dank – zum ersten Mal ein deutliches Bekenntnis zu den Stadtstaaten“, jubelte Perschau und stimmte zu.

Ohne die CDU befand Eckhoff selbstlobend, hätte die Bremer SPD allein oder mit den Grünen, dass nicht geschafft. „Die hätten gar nicht erst verhandelt.“ Dafür haben Perschau und Co. jetzt mal schnell die eigenen Partei-Interessen sausen lassen. Schließlich hätte die CDU-Variante zur Steuerreform mit einer Absenkung des Spitzensteuersatzes auf 39 Prozent Bremen „in direkter Rechnung zunächst noch mehr gekostet“, gesteht Eckhoff. Und auch Perschau wusste beim Länderfinanzausgleich die CDU/CSU regierten Ländern nie auf seiner Seite. „Ich hätte da mehr Solidarität erwartet“, sagte Perschau in Richtung seiner Parteifreunde. Als deutliche Niederlage für Angela Merkel und Friedrich Merz interpretierte Eckhoff inzwischen das Abstimmungsergebnis im Bundesrat. „Daraus kann man aber auch lernen – dass die Partei nicht nur aus dem Bundesvorstand, sondern auch aus 16 Bundesländern besteht.“

Mit Käuflichkeit habe die Zustimmung Bremens nichts zu tun, beteuerte Scherf und versuchte entsprechende Verdächtigungen mit einem „Ich bin ein Hanseat, ich bin nicht käuflich“ vom Tisch zu wischen. Für die Bremer Grünen war der Kuhhandel dagegen schon reichlich „peinlich“, erklärte Landesvorsitzender Wolfram Sailer. Solche Taktik hat in Bremen allerdings Tradition – „auch wenn das nicht unbedingt dem Ideal der Politik entspricht“, erklärt Jura-Professor Dian Shefold. Auch die Zustimmung zum Grundgesetzt 1949 hatte der Stadtstaat damals von Zugeständnissen bei den Häfen und beim Religionsunterricht abhängig gemacht.

Lob hageltes es gestern indes von allen Seiten für die Verhandlungsführer: Die Grünen freuten sich. Die SPD huldigte der „hervorrangenden Leistung der Bremer Koalition“, so SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen. „Es ging nicht um Geschenke, sondern um die langfristige Sicherung Bremens“, sekundierte SPD-Chef Albers, als wäre es nicht um die Steuer- sondern um die Länderreform gegangen. Und auch der Präses der Handelskammer, Bernd Hockemeyer, ist inzwischen voll des Lobes – „wenn auch nicht aus Sicht des Mittelständlers“, aber wegen der Sicherung des Sanierungsprogramms. Das ließ Hockemeyer gleich mit in der Presseerklärung der CDU mit abdrucken.

Einzig die Bremer FDP und PDS hätten lieber abgelehnt. Nur wegen deutlicher Ostzusagen hätte die PDS in Mecklenburg-Vorpommern zugestimmt, befand Bremens Vorsitzender Herbert Thomsen: Dieses „Scheißpapier“ würde die Finanzlage nur weiter verschlechterten.

Dorothee Krumpipe