Beeindruckende Redundanz

■ Der Lyriker José F. A. Oliver bastelte im Oldenburger Schlossgarten Wort-Ton-Gebilde

“Ich schreibe, weil ich wissen will, wie der Stierkämpfer im Tannendunkel sich verkämpfte“. Ein Wissenwollen, das den Lyriker José F. A. Oliver von ganz unten durchdringt: Kindheit, Herkunft. Der Sohn spanischer Gastarbeiter wuchs auf im Tannengrün des Schwarzwaldes, „Andalusische Träume“ durchzogen die Lieder des Vaters und erklingen im gleichnamigen Gedicht, in den Worten. Aber auch zwischen den Zeilen der Bühnenrezitation Gesang. Oliver umkreist das gelesene Wort immer wieder mit den Liedern seiner ... Heimat? Herkunft?... nun, eben diese Welt, wo der Stierkämpfer sich verkämpft und die zu ergründenden Worte nicht zu reichen scheinen. Doch genau in diesem Versuch der Aneignung von Heimat-Herkunft über die Sprache – eine Sprache wiederum, die eben Nicht-Muttersprache ist, die auch erst erkämpft werden will – in diesen Reibungen also, Lufträumen, verdichtet sich Identität.

Auf Einladung des Oldenburger Literaturbüros performte José F.A. Oliver im Schlossgarten die so entstandenen Wort-Ton-Gebilde. Mit dem Bändchen „Austernfischer Marinero Vogelfrau“ (Verlag das Arabische Buch) war er bereits 1997 aufgefallen und hat den Adelbert-von-Chamisso-Preis erhalten „für deutsche Literatur von Autoren nichtdeutscher Muttersprache“ (puh). Wie schön aber Deutsch klingen kann, was Lyrik sagen kann, ließ diese Lesung im Rahmen des Kultursommers überwältigend erfahren, was auch Olivers wunderbar unter die Haut kriechender Stimme zu schulden ist.

Aber es ist eben auch die Form: Kreisbewegungen der Worte, immer wieder finden Bilder zu sich selbst zurück, einlullend. Und doch, kleine Differenzierungen, Einschübe, neue Bilder, Assoziationen, Erinnerungen, dann wieder Ursprungsbild, die Worte ziehen weiter Kreise. In dieser „Redun-danz“, die der Autor freimütig bekennt, findet sich die Struktur des andalusischen Flamenco wieder, der durch ständige Wiederholungen immergleicher Elemente zur Trance führen soll.

Da scheint es nur konsequent, dass Oliver auch auf CD zu haben ist, für den Genuss daheim. Doch so ungebrochen ist der nicht. Denn „ich schreibe, weil ich aus kriegsversehrten Armen heraus Eichhörnchen füttere“, aus den Armen des Exils heraus, das immer wieder Thema ist, wenn „Granatsplitter unter der Schädeldecke“ sichtbar werden. Der spanische Bürgerkrieg, die faschistische Gewalt: kollektives Erinnerungsmaterial, mit dem Oliver die Brücke schlägt in Gegenwarten, anderswo.

So steht er „im bosnischen Hemd“ und stellt „die Stühle zur Sprache“, das unbenennbare Grauen nimmt den Platz zwischen den Worten ein. Immer wieder wird Federico Garcia Lorca besungen, auch auf türkisch, denn: „wir alle sind auf dem Weg nach Cordoba“ einem Ort, an dem Moslems, Juden und Christen zusammenleben.

Marijke Gerwin

„Der Eichhörnchenfütterer“ und andere Gedichtzyklen von José F. A. Oliver erscheinen im Oktober bei Suhrkamp in dem Band „Steinlautmetz“, CD „Lyrik oder Gesang“ bei Fender Ton, Stuttgart