Immer alles gewusst

Die CDU-Fraktionsspitze war über die regelmäßigen Klüngelrunden ihrer Ausschussmitglieder mit dem Zeugen Kohl offenbar bestens informiert

BERLIN taz ■ Es war in der CDU-Fraktion wohl kein Geheimnis, dass sich ihr Obmann im Untersuchungsausschuss zur CDU-Parteispendenaffäre, Andreas Schmidt, und andere Unionsmitglieder des Ausschusses regelmäßig mit Ex-Kanzler Helmut Kohl getroffen haben. Gestern bestätigte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Hans-Peter Repnik, jedenfalls, dass die Fraktionspitze über die Treffen informiert war.

Andreas Schmidt betonte, er habe die volle Rückendeckung der Fraktions- und Parteispitze. Außer ihm, dem CDU-Abgeordneten Dietmar Schlee und Hans-Peter Friedrich (CSU) sei aber niemand aus dem Ausschuss bei den umstrittenen Treffen mit Kohl dabei gewesen.

Parteichefin Angela Merkel hatte gesagt, es sei nicht ihre Sache, an die Abgeordneten „Zensuren zu verteilen“. Anders als Fraktionschef Merz distanzierte sie sich aber deutlich von Kohl. Merz hatte – wohl auch, um nicht noch mehr Unruhe in die Fraktion zu tragen – die Treffen von Schmidt und Kohl demonstrativ gerechtfertigt.

Vorigen Donnerstag war es im Untersuchungsausschuss zum Eklat gekommen, nachdem bekannt wurde, dass sich Schmidt und andere Ausschussmitglieder vor der Vernehmung wichtiger Zeugen regelmäßig mit Kohl getroffen hatten. Die rot-grüne Regierungskoalition vermutet, dass Kohl ähnlich wie bei der Flick-Affäre Absprachen getroffen habe, um die Affäre in seinem Sinne zu steuern. Verstärkt wurde dieser Verdacht durch Äußerungen des langjährigen Kohl-Vertrauten Uwe Lüthje.

Dieser hatte in einer Rede zum 65. Geburtstag des damaligen CDU-Finanzberaters Weyrauch unter Hinweis auf den Flick-Untersuchungsausschuss und die Strafanzeige des damaligen Abgeordnten Otto Schily gegen Kohl gesagt: „Dass Helmut Kohl beide für ihn existenziellen Krisen überstanden hat, hat er ausschließlich uns zu verdanken.“ Aus der Rede geht auch hervor, dass Kohl damals mit seinen Getreuen ein „gemeinsam verfasstes Drehbuch“ ausgearbeitet hat, um die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu überstehen.

Auf diese Rede angesprochen, hatte Kohl vorige Woche gesagt, er kenne sie nicht und wolle sich deswegen nicht äußern. Es ist davon auszugehen, dass er heute dazu Rede und Antwort stehen muss. Unterdessen ergab eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Woche, dass 70 Prozent der Deutschen erwarten, dass Kohl jetzt sein Bundestagsmandat niederlegt. Der Sonderermittler zu den verschwundenen Akten im Kanzleramt, Burkhard Hirsch (FDP), wies gestern erstmals Kohls Kritik an seiner Arbeit deutlich zurück: „Ich hätte eine so kleinliche, ja unfaire Reaktion des Altbundeskanzlers nicht erwartet.“ KARIN NINK