schwarze taz
: Junge Italiener gegen die globale Bestseller-Ästhetik

Gefallene Kriminalisten

Solange die angloamerikanische Literatur den internationalen Krimimarkt beherrschte, gab es auch so etwas wie die Kolonisation von Schauplätzen. Engländer und Amerikaner schrieben gern mal über fremde Länder, siedelten dort Kriminalfälle an, sogar mit einheimischen Helden. Donna Leon und Michael Dibdin sind Beispiele, wie das im Fall Italien gut funktionierte. Aber es gibt auch Italiener, die Kriminalromane schreiben. Nicht nur ehrwürdige Scherzbolde wie Fruttero & Luccentini, sondern junge Autoren, die ihr heimisches Terrain auf eigene Art abstecken wollen. Marcello Fois und Carlo Lucarelli gehören zur „Gruppe 13“, einer Vereinigung von Autoren, die gegen die globale Bestseller-Ästhetik anschreiben wollen.

Zwei gerade auf Deutsch erschienene Romane der beiden zeigen, was sie sich unter einem guten Krimi vorstellen. In „Besser tot“ führt Marcello Fois seine Leser in die hermetisch wirkende Welt des winterlichen Sardinien. Fois Stil ist so karg und gnadenlos wie die Landschaft. In kurzen Kapiteln entwirft er ein soziales Panorama der sardischen Provinz und ihrer verschlossenen Menschen. Selbst die Ermordung der zwölfjährigen Ines bringt zunächst nur wenig innere und äußere Bewegung hervor, obwohl in dem kleinen Ort alle verdächtig zu sein scheinen. Auch der Wachtmeister, der die Leiche des Mädchens fand, und sogar Commissario Curelli, dem die schwierige Aufklärungsarbeit zufällt, sind da keine Ausnahmen. Fois beschönigt nichts, weder Charaktere noch Sozialstruktur. Doch mitunter wirkt seine sozialkritische Haltung so bemüht, dass das Lesen mühsam wird.

Bei Carlo Lucarelli liegt die Sache anders. Er schreibt angenehm knappe Romane, in deren Mittelpunkt ein interessanter Antiheld steht. Commissario De Luca ist ein besessener Wahrheitssucher, aber er lebt in einer besonderen Situation: Im Sommer des Jahres 1945 herrscht in Norditalien ein Machtvakuum. Die Faschisten haben sich davongemacht, die Deutschen sind ebenfalls geflüchtet, und die alliierten Truppen sind noch nicht überall angekommen. Eine günstige Situation für die Partisanen, die nun das Recht in die eigene Hand nehmen. Commissario De Luca hat sich die Hände schmutzig gemacht. Unter dem faschistischen Regime musste er mit der Geheimpolizei zusammenarbeiten, obwohl er nicht dem Regime, sondern der Gerechtigkeit dienen wollte. Nun ist er auf der Flucht. In „Der trübe Sommer“ gerät er in die Fänge eines Partisanen, dem er einst die Grundbegriffe der Kriminalistik beibrachte. Leonardi muss in einem Dorf in der Emilia Romagna für Ordnung sorgen und plagt sich mit einem Mordfall herum, den er nicht lösen kann. Der Commissario soll ihm bei der Lösung des kniffligen Problems helfen. Die beiden besessenen Ermittler wollen auf keinen Fall in politische Manöver verstrickt werden, aber bald hat es den Anschein, als müsse genau dies passieren.

Man hat Lucarelli mit Simenon verglichen, und so falsch ist das nicht: Er hat ein vorzügliches Gespür für Atmosphäre und kann komplexe Charaktere mit wenigen Worten zum Leben erwecken. Sein Commissario De Luca ist so etwas wie ein gefallener Kommissar Maigret.

ROBERT BRACK

Marcello Fois: „Besser tot“. Aus dem Italienischen ohne Nennung des Übersetzers, Scherz Krimi, 224 Seiten, 14,90 DMCarlo Lucarelli: „Der trübe Sommer“. Aus dem Italienischen von Barbara Krohn, Piper Original, 147 Seiten, 22 DM