Nachbarschaftstreffen auf Zypern

Erstmals seit 26 Jahren begegnen sich Griechen und Türken auf der geteilten Insel in einem kleinen Dorf. Auch die politischen Verhandlungen zwischen den beiden verfeindeten Seiten sollen in wenigen Tagen in Genf wieder aufgenommen werden

von KLAUS HILLENBRAND

Nach mehr als 25 Jahren haben sich am Samstag erstmals ehemalige türkisch- und griechischstämmige Nachbarn auf der geteilten Insel Zypern treffen können. Zu dem von verschiedenen unabhängigen Friedens- und Jugendgruppen organisierten Treffen kamen hunderte Menschen sowohl aus der griechisch dominierten Republik Zypern als auch aus der international nicht anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“. In dem kleinen Dorf Pergamos nahe der UN-Pufferzone fielen sich ehemalige Freunde und Nachbarn in die Arme. Auch viele Jugendliche von beiden Seiten waren zu dem Treffen gekommen, um sich erstmals von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Kontakte zwischen Nord und Süd sind sonst nur über wenige Telefonleitungen und über das Internet möglich. Ein Reiseverkehr zwischen Nord und Süd existiert nicht, die Demarkationslinie ist hermetisch abgesperrt.

Die meisten Menschen hatten sich zuletzt im Jahre 1974 sehen können. Damals besetzten türkische Truppen im Anschluss an einen Putsch griechischer Obristen den Nordteil der Insel. Das war das Ende für die gemischten Dörfer, in denen griechische und türkische Zyprioten zusammen gelebt hatten. Die Zyperntürken mussten ihre Heimat in Richtung Norden verlassen. Die wenigen nicht geflohenen Griechen wurden 1975 in den Süden transferiert. „Als sie ging, hatte ich ja keine Ahnung, dass es für so lange Zeit sein würde“, erzählte am Samstag eine Zyperngriechin in den 80ern über ihre zyperntürkische Kollegin, mit der sie früher einmal in einem Bekleidungsgeschäft gearbeitet hatte und die nun neben ihr stand.

Ältere Teilnehmer äußerten sich gegenüber der BBC aber auch kritisch über die Fehler, die ihre Generation gemacht hatte.

Die Organisatoren hatten das Dorf Pergamos für das Treffen gewählt, weil es von beiden Seiten relativ leicht zugänglich ist.

In wenigen Tagen sollen in Genf neue Gespräche zwischen Vertretern beider Seite über die Zukunft der Insel beginnen. Der ehemalige US-amerikanische UN-Botschafter Richard Holbrooke zweifelte am Samstag an einem Erfolg der Verhandlungen. Die Position der türkischen Zyprioten zur Souveränität habe den Annährungsprozess gestoppt, so Holbrooke. Rauf Denktasch, Führer der Zyperntürken, verlangt seit Monaten als Vorbedingung für direkte Gespräche eine Anerkennung Nordzyperns als selbstständiger Staat. Der Präsident der Republik Zypern, Glavcos Clerides, lehnt das ab und präferiert die Gründung eines gemeinsamen Bundesstaats. Die indirekten Verhandlungen unter UN-Ägide beginnen am 5. Juli in Genf und könnten sich über Wochen hinziehen.

Das Verhältnis zwischen UNO und den Behörden Nordzyperns hat sich am Wochenende deutlich verschlechtert. Die auf Zypern stationierte UN-Friedenstruppe sieht sich durch den Beschluss von Denktasch, statt bisher 13 nur noch einen Checkpoint für UN-Personal zwischen Süd und Nord zu öffnen, massiv behindert. Nordzypern verlangt außerdem, dass die UN künftig Geld für Strom und Wasser für ihre Camps an den Norden zahlt und ihre Fahrzeuge dort versichert. Ein UN-Sprecher sagte am Samstag, man sei „enttäuscht über diese Maßnahmen“. Denktasch begründete die Aktion mit der jüngsten UN-Resolution zum weiteren Verbleib der Friedenstruppe, die einseitig progriechisch ausgerichtet sei. „Wenn sie uns nicht anerkennen, erkennen wir sie (die UN) nicht an“, sagte er. Denktasch will den Konflikt aber offenbar nicht auf die Spitze treiben: Am Samstag waren entgegen den Ankündigungen wieder mehrere Kontrollpunkte an der Demarkationslinie für die Blauhelme geöffnet.