Natür pür vor Hamburgs Haustür

Durch die Öresundverbindung sind ab heute Kopenhagen und Südschweden (fast) eins. Nordschweden schaut eifersüchtig zu, und demnächst sollen auch die Hamburger mit Natur und günstigen Immobilien in die boomende Region gelockt werden

aus Hamburg SVEN-MICHAEL VEIT

Percy Liedholm hat einen Traum. „Irgendwann, in zwei, drei Jahrzehnten“, hofft der Präsident des Landtags der südschwedischen Provinz Schonen, „fühlen sich die Menschen hier nicht mehr als Dänen oder Schweden, sondern als Bewohner der Öresund-region.“ Seine Hoffnung gründet sich auf Beton, ist 15.950 Meter lang und wird am heutigen Sonnabend von Dänemarks Königin Margarethe II. und Carl XVI. Gustav von Schweden offiziell eröffnet: die Öresundquerung.

Der Brückenschlag über die Meerenge sorgt für freie Fahrt von Gibraltar bis zum Nordkap. Im ersten Jahr werden täglich 10.000 Pkw, 1.300 Lkw und 160 Busse erwartet, die für die Fahrt das Gleiche zahlen müssen wie für die bisherige Fährverbindung. Regional betrachtet wachsen so die dänische Hauptstadt Kopenhagen und Malmö, Schwedens drittgrößte Stadt und zweitgrößter Industrieplatz des Landes, zu einer Metropole zusammen. Im 20-Minuten-Takt verkehren ab Sonntag die S-Bahnen zwischen Kopenhagen und Malmö. Arbeitsplätze und Wohnungen werden schon jetzt grenzüberschreitend vermittelt, Dänen ziehen zu Tausenden ins billigere Südschweden und fahren täglich über den Öresund nach Kopenhagen zur Arbeit. So herrscht in allen Städten des Ballungsraumes auf beiden Seiten des Öresunds Goldgräberstimmung. Die Region mit 3,5 Millionen Einwohnern gilt als die am stärksten boomende der EU. Vor allem bei Malmö, wo noch reichlich Felder und Äcker zu versiegeln sind, siedeln sich zahlreiche Unternehmen und Forschungszentren an; Mercedes, Unilever oder Sony haben ihre Skandinavien-Zentralen bereits von Stockholm dorthin verlegt. Die 15 Hochschulen der Region haben sich zur grenzübergreifenden Öresund-Universität mit 120.000 Studenten zusammengeschlossen, die beiden Häfen fusionierten.

Auf schwedischer Seite herrscht jedoch nicht nur eitel Freude über das, was da unten im Süden des Landes so vor sich geht. 300 Kilometer nördlich in Göteborg, zweitgrößte Stadt des Landes und größter Hafen Skandinaviens, fürchten manche gar den Ausverkauf an die „kleine Schwester“ Malmö. Und in Stockholm, fast 700 Kilometer entfernt, galten „die da unten in Schonen“, Schwedens Bayern eben, schon immer als suspekt, denn bis 1658 war die Provinz dänisch, Sprachbarrieren gibt es bis heute. Und wenn Stadtführerinnen wie Rose-Marie Hagelborn frohlocken, durch den Brückenschlag über den Sund „kommt Malmö wieder nach Hause“, beruhigt das in Stockholm niemanden. Die in der dänischen Hauptstadt sehen die Sache zwar gelassener. Wir leben ja bereits in einer Metropole und Malmö wird eben zum Vorort, ist die weitverbreitete Ansicht. Doch die Spekulation mit dem in Schweden weit billigerem Bauland hält Kopenhagens Makler auf Trab. Auf dem schwedischen Ufer, direkt an der Brücke, will der Hotelier Arthur Burchardter für 300 Millionen Mark den mit Einkaufszentren, Büros und Hotels vollgestopften „Skandinavian Tower“ errichten. Vom Dach des mit 325 Metern höchsten Wolkenkratzers Europas wird er dann quer über den Sund in das 15 Kilometer entfernte Zentrum Kopenhagens blicken können. Und auf die Autoschlangen auf der Brücke am Wochenende, wenn es die nach Natur suchenden Dänen an die vergleichsweise dünn besiedelte Ostseeküste Südschonens treibt.

Doch mit neuen Wochenend-nachbarn will Percy Liedholm sich nicht nicht bescheiden, sein Blick ist bereits auf das nur noch knapp fünf Autostunden entfernte Hamburg gerichtet. Mit einer Anzeigenkampagne will er aus Norddeutschland Sommerurlauber anlocken. Seinen Slogan verrät er mit schwedischem Akzent: „Natür pür vor Hamburgs Haustür“.