Musik als bessere Möglichkeit, zu sprechen

■ Heute Abend im Planet Subotnik: „Le Bend“ führt ihre ZuhörerInnen ins tiefe Tal der Superschmerzen

Er trägt Haare, als wäre Prinz Eisenherz die Frisur rausgewachsen und er kann einen wilden, furchteinflößenden Blick wie eine Figur aus dem Nibelungenlied aufsetzen. Er mag es, wie ein Conferencier viele Leute auf der Bühne zu einer Verabredung zum Musikmachen zu bringen. Und seine Ideen knospen im Zeitraffertempo.

Heiko Martens hat ein paar Jahre als Hochleistungssportler, als Musik-Roadie und als Sideman in Bands hinter sich. Weil ein Bekannter eine Geldgeschichte aus der Welt schaffen wollte, bat er Martens um Hilfe sowie den Gefallen, Songs und eine Band auf die Beine stellen zu können, damit die entsprechende Summe über Konzertgagen aufgebracht werden könne. Martens fing an zu telefonieren und eigene Songs zu schreiben.

Heute ist er ein Sozialweltmeister, der Musik macht, in dem er Massenformationen von Leuten zusammenholt. Bei seinen Konzerten versammeln sich neben ihm Männer und Frauen mit Streich-, Blas- und Holzblasinstrumenten. Schlagzeuger, Pianistinnen und Gitarristinnen quetschen sich mit auf die Bühne. Als Komponist entwirft Martens Epen mit majestätisch schweifenden A-Parts und freundlich durchhängenden B-Parts, die von der Gruppe Le Bend sanft arrangiert werden.

Musik bedeutet für ihn in ganz klassischer Hippie-Tradition die Überschreitung des Daseins mit Blick auf das richtige Leben. Die Texte enthalten dagegen einen Blick auf das wahre Leben. Das spielt im tiefen Tal der Super-Schmerzen. Dort echoen bittersüße Symphonien und im dahinter anbrandenden Ozean schwimmt eine Träne. Der Kampf um die eigene Sehnsucht und die eigene Erinnerung könnte eigentlich ganz romantisch sein, wenn sich nicht die falschen Leute im Kopf und im Herz festgesetzt hätten. „Hallo Vater, hallo Mutter, sind wir immer noch im Bunker?“ singt Martens und markiert den Punkt, an dem die Tragik wehr- und eigentlich auch sprachlos machen kann. Geht es bei der Sprache um Ausdruck oder ist Musik die bessere Möglichkeit zu sprechen?

„Wenn man über bestimmte Themen einfach nur spricht, dann hört man einfach nicht mehr hin. Deshalb schreibe ich lieber Lieder, die laden besser zum Zuhören ein.“ sagt Martens. Um es mit einem Wort der Poststrukturalisten zu sagen: Ein Lied ist für Martens ein Diskurs, der nicht entmündigt. Deshalb ist es mit Musikern anders, als viele meinen. „Wer ein Lied macht“, sagt Martens, „der findet vielleicht nicht den schlechtesten Weg, um erwachsen werden.“ Und dazu lässt sich auch nicht nur adult oriented tanzen. Kristof Schreuf

heute, 22 Uhr, Planet Subotnik