Dicke Luft beim Klimaschutz

Wirtschaftsminister Müller und Verkehrsminister Klimmt halten frühere Zusagen beim Klimaschutz nicht ein. Die Regierung kann deshalb das nationale Programm zur Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen nicht verabschieden

von MATTHIAS URBACH
und MAIKE RADEMAKER

Die nationale Klimaschutzstrategie hängt fest. Obwohl Umweltminister Jürgen Trittin, der die Federführung hat, bereits im Frühjahr ein Eckpunktepapier mit Handlungsvorschlägen für die einzelnen Ressorts veröffentlichte, hat der umstrittene Maßnahmenkatalog die Arbeitsebene der beteiligten Ministerien noch immer nicht verlassen. Die Ministerien für Wirtschaft und Verkehr kündigten bereits gemachte Zusagen wieder auf.

Knapp 100 Millionen Tonnen Kohlendioxid müssen bis 2005 noch eingespart werden, wenn bis dahin im Vergleich zu 1990 der Ausstoß um ein Viertel zurückgehen soll. Ein Versprechen von Kanzler Kohl, das Kanzler Schröder vergangenen Oktober auf dem internationalen Klimagipfel in Bonn erneuert hat. Damals versicherte Schröder der Staatengemeinschaft, bis zur Jahresmitte eine nationale Klimaschutzstrategie vorzulegen.

Das Wirtschaftsministerium soll nach den bisherigen Vereinbarungen rund 20 Millionen Tonnen bei der Wirtschaft einsparen und weitere 15 Millionen Tonnen in der Stromversorgung. Davon bringt die Förderung der erneuerbaren Energien rund 10 Millionen Tonnen, errechnete das Umweltministerium. Das sah Staatssekretär Axel Gerlach im Wirtschaftsministerium vor kurzem auch noch so. Doch nun hat man nachgerechnet: Die Leistungen der Vergangenheit seien nicht genug gewürdigt worden, so die neue Haltung. Tatsächlich würden die Erneuerbaren 16 Millionen Tonnen bringen. Damit wäre das Ziel für die Stromwirtschaft schon erreicht. Das Umweltministerium hält die Zahlen für schöngerechnet.

Der Hintergedanke Gerlachs: Das Ministerium wäre für sein Klimaziel nicht mehr darauf angewiesen, die klimaschonende Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zu fördern, wie es die Koalitionsfraktionen vorhaben. In der Diskussion ist derzeit eine Quotenregel zur Förderung der KWK-Energie, die das Ministerium bekämpft, weil es darin ein Wettbewerbshindernis für die deutschen Stromversorger sieht.

Klimmts Ministerium reißt ein noch größeres Loch in den Minderungsplan. Es hatte bereits zugesagt, den Ausstoß im Verkehr um 20 Millionen Tonnen zu senken. Nun heißt es plötzlich, das sei gar nicht möglich. Vielmehr müsse der Ausstoß angesichts der wachsenden Verkehrsströme sogar um 4 bis 5 Millionen Tonnen steigen. Das sei immer noch eine große Leistung, schließlich steige der Ausstoß des Verkehrs ganz ohne Klimaschutzmaßnahmen sogar um 20 Millionen Tonnen.

Hintergrund des Sträubens im Verkehrsministerium ist, dass die meisten Maßnahmen, die viel bringen, eher unpopulär sind, insbesondere das von Trittin vorgeschlagene Tempolimit. Trittin hatte in seinem Eckpunktepapier aber auch weitere Maßnahmen angeboten: darunter mehr Mittel für Bus und Bahn, eine Minderung des Flottenverbrauchs und das Fördern von Katalysatoren. Einiges deutet aber darauf hin, dass das Umweltministerium nicht den Kürzeren ziehen wird. Denn das Kanzleramt macht ebenfalls Druck auf die renitenten Ministerien.