europameisterschaft
: Hooligans und Fettnapftreter

Wenn es darum ging, mit den Fingern auf andere zu zeigen, war der deutsche Fußball schon immer absolute Spitze – und im Gegensatz zu anderen Bereichen ist er es nach wie vor. Fast traute man seinen Ohren nicht, als DFB-Präsident Egidius Braun am Sonntag vor den Kameras über den Beschluss der Uefa-Exekutive schwadronierte, das englische Team bei weiteren Hooligan-Krawallen von der Fußball-EM auszuschließen. Zwei Jahre nachdem deutsche Fans im französischen Lens für die übelsten Vorkommnisse der letzten Dekade gesorgt hatten, zwei Jahre nachdem das deutsche Team danach unbehelligt weiter mitgespielt und Bundestrainer Berti Vogts schon am nächsten Tag unwirsch erklärt hatte, man solle endlich wieder über Fußball reden, stellt sich Deutschlands oberster Ballspiel-Repräsentant in Positur und sagt mit empört tremolierender Stimme: „Sollen wir denn warten, bis es Tote gibt?“ Oder: „Wir haben festgestellt, was passiert ist in den letzten zwei Tagen, und haben beschlossen: Jetzt ist Schluss.“ Gemeint sind, wir ahnen es, die Engländer.

Kommentarvon MATTI LIESKE

Nicht für einen Augenblick scheint es dem Fettnäpfchentreter an der DFB-Spitze in den Sinn zu kommen, welch üblen Beigeschmack es hat, wenn ausgerechnet deutsche Funktionäre die Ausschlussdrohung gegen England propagieren – den Gruppenrivalen, dessen Verbannung Ribbecks Rasenquäler retten könnte; den unliebsamen Konkurrenten bei der Bewerbung um die WM 2006.

Völlig an Egidius Braun vorbeigegangen ist offenbar auch die Tatsache, dass reichlich deutsche Fans („Wir sind wieder einmarschiert“) an den Krawallen in Charleroi beteiligt waren. Die Angst vor den Deutschen war in Belgien genauso groß wie die vor den Engländern, und dass anschließend hauptsächlich die Hooligans von der Insel auffielen, ist eher Zufälligkeiten und ihrem Reiseweg über Brüssel zuzuschreiben. Bekannte deutsche Fußballgewalttäter wurden in Charleroi genauso gesichtet wie ihre Pendants aus England. Nun die plötzlich so hoch gelobten Anti-Hooligan-Maßnahmen der deutschen Regierung als Argument für die einseitige Uefa-Drohung gegen die Briten zu verwenden, ist heuchlerisch.

Richtig ist, dass große Fußballturniere erheblich friedlicher verliefen, wenn weder Deutschland noch England beteiligt wären. Aber vermutlich denkt man in Kreisen der Uefa, dass sich das Problem in Bezug auf die DFB-Komponente heute Abend ohnehin von selbst erledigt.

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