Keine Titten, keinen Arsch

Seit Franziska van Almsick reißen sich die Medien um die deutschen Schwimmerinnen. An den Männern dagegen sind sie kaum interessiert. Machen die Frauen nur eine bessere Figur oder sind sie einfach die besseren SportlerInnen?

Die Szene beim Einschwimmen hatte symbolische Kraft. Bevor sie ins Wasser tauchte, stellte Franziska van Almsick sich auf den Startblock, stemmte die Arme in die Hüften, überschaute das Becken und schien sagen zu wollen: Seht her, jetzt komme ich! Es dauerte nicht lange, da hatten die Kameraleute begriffen – und die Diva des deutschen Schwimmsports wieder ins Visier genommen.

Jörg Hoffmann dagegen, der große alte Mann des Langstreckenkrauls, schlich sich geradezu an das Schwimmbecken heran, verzichtete auf einen Sprung vom Startblock, zog seine Bahnen und verkroch sich wieder in eine stille Ecke.

Die deutschen Meisterschaften haben gezeigt: Die Rollen im deutschen Schwimmsport sind klar verteilt. Die Stars, die Hauptdarsteller, das sind die Frauen. Die Männer besetzen oft nur Nebenrollen. Sie müssen um die Gunst der Medien und des Publikums buhlen.

Es ist sicherlich kein Zufall, wenn Christian Keller, Nationalschwimmer und immerhin 28-mal deutscher Meister, noch kurz vor dem Rennen zum Interview bereit ist und anbietet: „Hey, du kannst 'ne Geschichte über mich schreiben.“ „Gucken Sie sich die Ergebnislisten an“, sagt van Almsicks Manager Werner Köster, wenn er zu diesem Phänomen befragt wird.

Und in der Tat: Die großen internationalen Siege haben die Frauen errungen. Die Rückenschwimmerin Antje Buschschulte und die Sprint-Königin Sandra Völker zum Beispiel haben bei Welt- und Europameisterschaften regelrecht abgeräumt. Die Männer dagegen halten sich mit international vorzeigbaren Resultaten eher zurück. „Wenn man für jede einzelne Leistung einen Punkt vergeben würde, dann stünden die Männer nicht viel schlechter da“, sagt hingegen der Bundestrainer der Männer, Manfred Thiesmann. Er erklärt den Frauenboom in einer Sportart, in der einst Michael Groß (West) und Roland Matthes (Ost) die Superstars waren, vor allem mit zwei Namen: Franziska van Almsick und Werner Köster, ihr gewiefter Manager.

In der Tat zieht das Glitzergirl des deutschen Schwimmsports die Fernsehkameras und Werbeträger nach wie vor magisch an. Schwimmerinnen wie Völker und Buschschulte profitieren von ihr.

Die Männer hingegen können einen solchen Star nicht anbieten. Jörg Hoffmann ist zwar seit 12 Jahren Weltspitze und mit seinen 1,97 Meter eine imposante Erscheinung, aber als Typ eben doch so eigenwillig, dass Werner Köster seinen Versuch, Hoffmann zu vermarkten, schon nach einem Jahr wieder aufgab. Stev Theloke andererseits, der Europameister im Rückenschwimmen, ist zwar ein sympathischer Spaßmacher, aber eben auch nicht mehr.

Vielleicht ist die Macht der Frauen im deutschen Schwimmsport aber viel einfacher zu erklären. „Wir haben keine dicken Titten und keinen dicken Arsch“, sagt Mark Warnecke, der Brustschwimmer, der sich in Berlin zum vierten Mal für die Olympischen Spiele qualifiziert hat und damit ein wirklicher Ausnahmeschwimmer ist. Der Teamchef des Deutschen Schwimmverbandes (DSV), Winfried Leopold, will dem nicht folgen: „Ich weigere mich, diese Betrachtungsweise anzunehmen. Für mich sind das Athleten, nicht Männer und Frauen.“

Wer am Samstag sah, wie sich Franziska van Almsick auf dem Startblock geradezu zur Schau stellte, der konnte sich darüber so seine Gedanken machen.OLIVER WEGNER