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: STEFFEN GRIMBERG über segensreiche Anglizismen

Shut endlich up, you minister president, you!

Verdammt, wer schreibt Wolfgang Clement eigentlich seine Reden? Natürlich muss jede öffentliche Äußerung von Repräsentanten und Würdenträgern des Landes Nordrhein-Westfalen, erst recht die nordrhein-westfälischer Ministerpräsidenten, den Strukturwandel in den einstigen Jagdgründen von Kohle, Stahl und Bier beschwören. Natürlich müssen Wachstumstechnologien her. Und natürlich ist hier die Medienbranche Hoffnungsträger Nummer eins – wenn auch die „Eingemeindung“ von Kundenabschreckdiensten, also Call-Centern, in den engeren Kreis der Medienunternehmungen gekräuselte Stirnen hervorruft.

Aber warum muss der arme Herr Clement, wenn er müde von mittlerweile ja gottlob überstandenen Koalitionsverhandlungen für noch mehr Strukturwandel schlecht gelaunt Medienforen eröffnet, immer die Hälfte seiner Rede auf Englisch halten?

Genauer gesagt in einem Pseudo-Idiom, dass eher an die Filser-Briefe in der Wochenendbeilage einer nicht näher genannt sein sollenden überregionalen Tageszeitung aus München erinnert? „New Economy“ spielt die Hauptrolle, und „Nordrhein-Westfalen soll das Portal werden, durch das die Old Industries das Feld der New Economy betreten“, muss der arme Mann sagen.

„Business-Angels-Netzwerke“ will er knüpfen (warum eigentlich Netzwerke und nicht gleich Networks?), „Seed- und Venture Capital“ forcieren und eine „E-Commerce-Academy“ aufbauen, die dann für so tolle Sachen wie die „Krypto-Offensive NRW“ und die bestimmt noch tollere „Offensive Mobile Media“ zuständig ist.

Klar ist ihm auch, dass dieser „Turn-round“ schwer wird, und dann muss er auch noch ganze Auszüge aus der NRW-Beilage der Financal Times vom 13. März vorlesen – in Originalsprache natürlich. Und dann auch noch so tun, als sei das nicht etwa eine Verlagssonderbeilage zu Werbezwecken gewesen, sondern die schöne Sentenz über Dortmund, wo gerade eine „Revolution“ auf dem Gebiet von Software, E-Commerce und Multimedia stattfinde, ernst gemeint.

Da halten wir’s doch lieber mit Brian Aitken von EuropeRealNetworks (das sind die mit dem kostenlosen RealPlayer für Internet-Lala und streichholzschachtelgroßes Bewegtbild). Der verteidigte auf demselben Medienforum seine Streichholzschachteln mit den unzureichenden Übertragungskapazitäten im deutschen TV-Kabel, dessen Ausbau die Telekom wegen der vielen „Manne Krug und Charles Brauer reden Mist“-Spots nicht mehr bezahlen konnte. Aber man sei bald viel besser dran, versprach Mr. Aitken. Nein, natürlich nicht gleich mit echtem „Broadband-Netz“, so ein schweres und auch noch medienenglisches Wort mochte er nicht in den Mund nehmen. Aber gerade für NRW ist anscheinend eine Zwischenlösung in Sicht. Und weil alle gelernt haben, dass keiner kapiert, was die andere Zwischenlösung „Near-Video-on-Demand“ eigentlich bedeutet, heißt das Ganze jetzt: Nahbreitband. Wunderbar, geht doch. Dazu mein herzliches „Glück auf“!