Mann zum Vorzeigen

Ferenc Mádl soll heute zum neuen Präsidenten Ungarns gewählt werden. Er ist ein national denkender Christdemokrat, aber kein Scharfmacher

Statt eines Schriftstellers und ehemaligen Regimegegners nun also ein Jurist. Normalität im Tausch gegen bewegende Geschichte. Das definitive Ende des Systemwechsels, zehn Jahre nach dem Abtritt der Kommunisten von der Macht, steht bevor. Zwar verfehlte Ferenc Madl gestern die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit im Parlament, und auch morgen könnte es im zweiten Wahlgang knapp werden. Doch danach ist nur noch die absolute Mehrheit notwendig - und die wird Madl wohl erhalten.

Der 69-jährige Rechtsprofessor erweckt den Eindruck eines sympathischen älteren Herren. Nach Jahrzehnten akademischer Karriere hat er sich in Expertenkreisen Ansehen erworben. Die meisten seiner Landsleute kennen ihn freilich eher als unauffälligen Kultusminister. Ein Kandidat, der keinen Jubel auslöst und gegen den es zugleich kaum etwas einzuwenden gibt.

Ferenc Mádl wird nun erst einmal mit dem Schatten seines Vorgängers Árpád Göncz leben müssen. Der scheidende Staatspräsident, einst wegen seiner Beteiligung an der antikommunistischen Revolution 1956 zum Tode verurteilt, später aber zu lebenslanger Haft begnadigt, hatte das Amt nicht nur zehn Jahre lang inne. Er war während dieser Zeit ununterbrochen der beliebteste Politiker des Landes und wurde von seinen Landsleuten zärtlich „Onkel Arpi“ genannt.

Doch Mádl ist nicht chancenlos in seinem neuen Amt. Obwohl er von der national-konservativen Regierung ohne Absprache mit den oppositionellen Sozialisten und Liberalen nominiert wurde – ein Umstand, der beträchtliche Unzufriedenheit auslöste –, bescheinigen auch diese ihm vorzeigbare Qualitäten. Mádl begreift sich zwar als ausgesprochen national denkender, christdemokratischer Politiker. Doch er gehörte zu keiner Zeit zu den Scharfmachern in Ungarns national-konservativem Lager. Ausgleich ist gewissermaßen eine seiner Spezialitäten. Während seiner fast fünfzigjährigen Karriere als Jurist arbeitete er vielfach auf dem Gebiet des vergleichenden internationalen Rechts. Auch als Inhaber von politischen Ämtern hat er seit Beginn der Neunzigerjahre bereits praktiziert, was er nun als Staatspräsident erreichen will: dem harschen, konfrontativen politischen Klima entgegen- und für politischen Ausgleich und Frieden wirken.

Der prominente ungarische Politologe Attila Ágh schrieb denn auch hoffnungsvoll über Ferenc Mádl: „Er ist eine Persönlichkeit, die Ungarn bei seiner EU-Integration würdig vertreten und es von der Gefahr des ständigen Sich-schämen-Müssens befreien kann.“ KENO VERSECK