Waffen für die EU

Frankreichs Präsident für europäische Aufklärung als Basis einer EU-Militärpolitik. Zu Joschka Fischer sagt er nichts

PARIS taz ■ Wenn Frankreich Anfang Juli turnusgemäß den Vorsitz der EU übernimmt, will Jacques Chirac ein paar Lehren aus dem Nato-Krieg gegen Jugoslawien ziehen. Der französische Staatspräsident sprach sich gestern für die Pläne der EU aus, eine europäische schnelle Eingreiftruppe aufzubauen und mit Mitteln auszustatten, die sie von den USA unabhängig machen. Außerdem schlug er ein Gipfeltreffen zwischen der EU und den Ländern von Ex-Jugoslawien vor, die keine anderen Perspektiven hätten, als „eines Tages der EU beizutreten“. Bei dem Gipfel sollten nicht nur Kroatien, Makedonien und Bosnien-Herzegowina „in ihrer Entwicklung ermuntert und unterstützt“ werden, sondern auch die Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) daran erinnert werden, „dass ihr die Türe weiterhin offensteht, wenn sie sich der Entwicklung anschließt“.

Chirac, der seine außen- und verteidigungspolitische Rede vor den Parlamentariern der WEU hielt, ging kaum auf „unsere deutschen Freunde“ ein. Dafür gebe es andere Gelegenheiten. Die „privaten“ Europapläne des deutschen Außenministers Fischer, der kürzlich vorschlug, das föderale Modell der Bundesrepublik auf das EU-Europa der Zukunft zu übertragen, bleiben damit weiterhin unkommentiert. In Paris wird erwartet, dass Chirac seine Vorstellungen über die deutsch-französischen Beziehungen sowie über die künftige Form der EU spätestens anlässlich seines Staatsbesuches in Deutschland Ende Juni bekanntmachen wird – möglicherweise vor dem Bundestag.

Gestern beschränkte sich Chirac, der als Staatspräsident Frankreichs oberster militärischer Befehlshaber und Chef der Außenpolitik ist, darauf, die Konturen einer „europäischen Verteidigung“ zu umreißen. Ohne den Begriff zu benutzen, schlug er eine Art militärisches Kerneuropa vor. Dazu sollten alle jene EU-Länder gehören, die ihre Verteidigungsanstrengungen verstärken wollten, während die Übrigen sie nicht daran hindern sollten. Die EU hatte bereits im Dezember 1999 bei ihrem Gipfel in Helsinki beschlossen, bis 2003 eine schnelle Eingreiftruppe mit 60.000 Mann einzurichten. Chirac sagte dazu jetzt, dass dies bedeute, „dass jedes Land auf nationaler Basis die nötigen Verteidigungsanstrenungen unternimmt“.

Daneben schwebt dem Franzosen auch eine Verstärkung der europäischen Aufklärung (Spionage) und der stragegischen Lufttransporte vor. Chirac begrüßte die britischen und spanischen Bestellungen von Airbus-A-400M-Transportern und forderte „unsere deutschen Freunde“ auf, sich ebenfalls für dieses neue Transportflugzeug zu entscheiden, „das die strategischen Lufttranporte für Missionen unserer Truppen erleichtern würde“. Auch den seit langem unter anderem wegen seiner hohen Kosten zwischen Frankreich und Deutschland umstrittenen Ausbau der europäischen Luftaufklärung via Satellit legte Chirac gestern wieder auf den Tisch. Bekanntlich waren die europäischen Teilnehmer des Kosovokrieges weitgehend auf Informationen US-amerikanischer Satelliten angewiesen. Chirac schlug gestern erneut vor, die europäische Aufklärung zu verstärken. „Das könnte eines Tages der Anker einer autonomen europäischen Aufklärungskapazität werden.“ DOROTHEA HAHN