AUFSICHTSRAT DER DEUTSCHEN BÖRSE STIMMT DER FUSION MIT LONDON ZU
: Die Welt als Börse

Heute London, morgen die ganze Welt. Vordergründig hat der Aufsichtsrat der Deutschen Börse AG in Frankfurt mit der Genehmigung der Fusion mit der Londoner Börse nur ein kleines Hindernis beiseite geräumt. Doch die Zustimmung hat gravierende Konsequenzen: Sie markiert den ersten Schritt zur Gründung einer einheitlichen europäischen Börse. Auch dann wird nicht Schluss sein: Die Weltbörse rückt in greifbare Nähe. Rolf Breuer, Chef der Deutschen Bank und Aufsichtsratsvorsitzender der Frankfurter Börse, hegt diese Vision seit langem. Sie ist nicht unrealistisch.

Die kleineren Handelsplätze in Mailand und Madrid haben bereits Anträge auf Aufnahme in die Kooperation Frankfurt-London gestellt. Noch versuchen zwar Paris und Amsterdam, dem neuen Koloss Widerstand entgegenzusetzen, doch der dürfte nicht von langer Dauer sein. „iX“, wie die neue deutsch-britische Börse heißt, beherrscht schon heute nahezu 70 Prozent des europäischen Handels mit Wertpapieren. Und zusammen mit der US-amerikanischen Hightech-Börse Nasdaq, die sich ebenfalls an iX andockt, wird bereits der nächste Coup geplant: Eine Einladung an die Aktienhändler in Tokio oder Hongkong, sich der Fusion ebenfalls anzuschließen. Dann wäre das erreicht, was die Antreiber der Fusion, die Banken, Investmentfonds und Makler, wünschen: Sie könnten von ihren Büros aus auf vier Kontinenten (Afrika spielt keine Rolle) rund um die Uhr kaufen und verkaufen – mit einem einzigen Computersystem.

Dadurch wird der internationale Kapitalverkehr nicht nur billiger, auch seine Quantität und Schnelligkeit nehmen zu. In immer kürzeren Zeiträumen wird immer mehr Geld rund um den Globus angelegt, aber auch wieder abgezogen. Damit wächst die Gefahr, dass internationale Geldhändler Staaten von einer Stunde auf die andere in die Krise stürzen. Schocks wie die Asienkrise von 1997, in ihrem Gefolge Arbeitslosigkeit und Armut, können noch heftiger ausfallen.

Gegen die urwüchsige Globalisierung und ihre Gefahren gibt es nur ein Mittel: Die Bewegungsfreiheit der Investoren muss teilweise eingeschränkt werden – zum Beispiel mit der international anerkannten Pflicht, dass Investoren einen Bruchteil ihres importierten Kapitals bei der Staatsbank des jeweiligen Landes als Sicherheit hinterlegen. Derartige Regelungen würden die Händler daran hindern, ihr Geld ruck, zuck wieder außer Landes zu schaffen. Leider ist es heute aber so: Politische Initiativen wie diese lassen sich über Institutionen wie Weltbank und Internationaler Währungsfonds kaum durchsetzen, während Wirtschaftsunternehmen und Börsen die Globalisierung einfach vollziehen. HANNES KOCH