Weimar bremst den Eifer der NPD

Seit drei Wochen versuchen Rechtsradikale eine Kundgebung in der Goethe-Stadt abzuhalten. Die Bürger leisten mit Aktionen erfolgreichen Widerstand und entwickeln diesen zu einem neuen Marketing-Konzept

WEIMAR taz ■ Widerstand lohnt sich. Zum dritten Mal in nur drei Wochen verhinderten Weimarer Bürger am Samstag mit Stadtfesten einen Aufmarsch der NPD nebst rechtsradikalem Skinhead-Anhang. Eine Stunde vor dem geplanten Aufmarsch bestätigte das Bundesverfassungsgericht das Verbot der Weimarer Stadtverwaltung. Statt den Rechtsradikalen zog unter den Blicken zahlreicher Touristen vor dem Goethe- und Schiller-Haus eine „Karawane“ mit rund eintausend „Nomaden“ vorbei, die für „bunte Vielfalt statt braune Einheit“ demonstrierten.

„Wir werden den Weimarern eine Lektion erteilen“, hatte die Thüringer NPD nach dem 1. Mai angedroht. Denn anders als in Grimma, Berlin und Wetzlar ging in Weimar am 1. Mai das Konzept der Nazi-Gegner auf. 20.000 feierten in dem 60.000-Einwohner-Weltdorf. Eine unüberschaubare Situation für die Polizei, befanden die thüringischen Gerichte im Vorfeld und bestätigten das Verbot der Stadt Weimar gegen die NPD. Diese kündigte an, die Stadt in diesem Jahr mit Kundgebungen zu überziehen.

Trotz offensichtlicher Demonstrationsmüdigkeit organisierten am Samstag erneut rund zwanzig Initiativen die Gegenkarawane in der letztjährigen europäischen Kulturhauptstadt. Die Stiftung Weimarer Klassik verrammelte das Portal des Goethe-Wohnhauses mit riesigen Kisten, die einst im Konzentrationslager Buchenwald zum Abtransport der kostbaren Goethe-Reliquien gezimmert worden waren. Vor dem Deutschen Nationaltheater lobte Volkhardt Knigge, der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, die Bürger von Weimar für ihren langen Atem. Und vor dem Schiller-Haus lieferten sich Studenten des Fachbereichs Medien der Bauhaus-Universität eine Pantoffel-Ralley unter dem Motto: „Auf leichten Sohlen gegen laute Parolen“. Die Studenten entwickeln unter Anleitung des Professors für „Medienereignisse“, Wolfgang Kissel, den Widerstand gegen rechts zur Marketingstrategie für die Klassikerstadt.

„Wir werden der Welt zeigen, daß das Bild von Weimar als eine Hochburg der Rechten nicht stimmt“, so die Pressesprecherin der Stadt. Doch noch ist der Kampf der Weimarer gegen die hartnäckige NPD nicht gewonnen. Zwar wurde das Verbot des Aufmarsches noch am Samstagvormittag durchs thüringische Oberverwaltungsgericht bestätigt, doch dieses Mal zog die NPD drei Stunden vor der Urteilsverkündung vors Bundesverfassungsgericht. Zu spät, um sich ein eigenes Urteil zu bilden, befand dieses und wies den Einspruch der Rechtsextremen ab.

Die Gegendemonstranten feierten die Entscheidung als einen Präzedenzfall. „Die Nazis sollen es nur weiter versuchen“, so befand einer der Initiatoren, „auch wenn uns langsam das Geld ausgeht.“ Und im Stadtradio „Lotte“ erklärte Weimars Oberbürgermeister Volkhardt Germer etwas voreilig : „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eine Neubewertung des NPD-Gewaltpotenzials, das auch für alle anderen Städte der Republik von Bedeutung ist.“

FRITZ VON KLINGGRÄFF