Amazonaswald brennt

Umweltschützer stoppen Motorsägengesetz. Brände und Abholzung gehen aber wegen Sojaplantagen ungehindert weiter. Ministerin in Brasilien

SÃO PAULO taz ■ Der heute beginnende Besuch der Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul in Brasilien, die sich vor allem Projekte in Amazonien ansehen wird, ist günstig: Vor knapp einer Woche errang die dortige Umweltbewegung einen großen Erfolg. Sie stoppte das so genannte Motorsägengesetz, durch das die Entwaldung weiter Landesteile legalisiert worden wäre. Großgrundbesitzer hätten demnach bis zu 80 Prozent ihrer Ländereien roden können, um lukrativen Viehzucht- und Agrarprojekten nachzugehen. Heute beträgt dieser Anteil der Ländereien im Amazonasgebiet 20 Prozent.

Bereits vor einem halben Jahr war eine Entscheidung über einen ähnlichen Entwurf in letzter Minute vertagt worden (die taz berichtete). Seither stellte der Umweltrat in 25 öffentlichen Anhörungen eine alternative Version des Waldgesetzes vor, die sich um nachhaltige Bewirtschaftungsansätze dreht. Doch darüber setzten sich die Abgeordneten der Agrarlobby hinweg. In den öffentlichen Aufschrei stimmte auch Umweltminister José Sarney Filho ein, und Präsident Fernando Henrique Cardoso sah sich gezwungen, den Entwurf des Umweltrates mit einzubeziehen. „Die Agrarlobby musste einsehen, dass man Brasilien nicht so verwalten kann wie ihre Farmen“, jubelte der Fraktionsvorsitzende der oppositionellen Arbeiterpartei, Aloizio Mercadante.

Für die Ministerin ist dieser Erfolg von besonderem Interesse. Schließlich hatte Deutschland das Pilotprogramm der sieben reichsten Industriestaaten (G 7) zum Schutz der brasilianischen Tropenwälder (PPG 7) 1990 mit Kanzler Kohl angeregt und ist größter Geldgeber mit 240,5 Millionen Mark. Seit 1994 wird eine breite Palette von Maßnahmen durchgeführt, die von gut 130 Basisprojekten über die Förderung von Forschungsinstituten bis hin zur Stärkung der Umweltbehörden reichen.

Auch die Demarkierung von Indianerland wird im Rahmen des PPG 7 finanziert. Wie Satellitenaufnahmen eindrucksvoll beweisen, sind die Entwaldungsraten in jenen Gebieten weitaus am geringsten, die von indigenen Völkern bewohnt und auch effektiv kontrolliert werden. Doch die Regierung setzt die verfassungsmäßig vorgeschriebene Demarkierung nur im Schneckentempo um. „Cardoso fehlt der politische Wille für eine indianerfreundliche Politik“, kritisiert Francisco Loebens vom Indianermissionsrat Cimi.

Das gleiche gilt für das gesamte Pilotprogramm. Als der Internationale Währungsfonds Ende 1998 einen Milliardenkredit mit harten Sparauflagen verknüpfte, wollte die Regierung den eigenen PPG 7-Etat für das folgende Jahr um 90 Prozent kürzen. Nach einem Rückzieher wurde 1999 schließlich nur ein Bruchteil der vorgesehenen Gelder ausgegeben – wegen bürokratischer und politischer Widerstände. Es geht um Wachstum: In den kommenden Jahren, so steht es im ambitionierten Entwicklungsplan „Vorwärts Brasilien“, werden im Amazonasbecken die zentralen Transportachsen rasch ausgebaut, um den Devisenbringer Soja und andere Exportprodukte wettbewerbsfähiger zu machen.

Sobald Urwaldstraßen asphaltiert werden, steigen in einem Streifen von 100 Kilometern Abholzung und Waldbrandgefahr drastisch an. „Einerseits stellen die G 7 Gelder zum Schutz der Wälder zur Verfügung, andererseits fördern sie in der Welthandelsorganisation die Ausweitung des Sojaanbaus in Brasilien, um ihre Schweine- und Rinderherden zu füttern“, heißt es in einem Dokument des Umweltministeriums. Und so geht die Abholzung außerhalb der gut gemeinten Projekte weiter wie bisher. 16.926 Quadratkilometer brasilianischer Amazonaswald waren es 1999. Frau Wieczorek-Zeul und Herr Sarney werden sich in vielem einig sein. Schade nur, dass die entscheidenden Weichen in Richtung „nachhaltige Entwicklung“ weder im brasilianischen Umweltministerium noch im BMZ gestellt werden können.

GERD DILGER