Überkreuz in Delmenhorst

■ Gleich nebenan ist wieder Jazzfest: Die VeranstalterInnen servieren spannende Begegnungen unterschiedlicher Traditionen

In den vergangenen zehn Jahren hat sich das Jazzfest Delmenhorst einen guten Ruf erworben. Im Gegensatz zu vielen der anderen „kleineren“ Festivals schließt das Jazzfest experimentellere Spielrichtungen nicht aus. Fast immer sind eine oder zwei Formationen geladen, die freie Spielweisen integrieren und abseits der sicheren Gefilde des Mainstreams musizieren. Dies signalisiert eine Risikobereitschaft der Veranstalter, die ihren Teil zum guten Namen beigetragen hat. Das Motto der nunmehr elften Ausgabe des Jazzfests Delmenhorst könnte „Jazz goes Crossover“ lauten. MusikerInnen aus verschiedenen Teilen der Welt – Argentinien, Australien, Armenien, Frankreich, der Türkei, der USA und Deutschland – verknüpfen diverse Jazzspielarten mit volksmusikalischen Traditionen oder Stilrichtungen populärer Musik.

Hauptact ist sicher die Band des Ex-Miles-Davis-Gitarristen John Scofield, der oft neben Pat Metheny als einer der wichtigsten zeitgenössischen Fusiongitarristen bezeichnet wird. Sein aktuelles Quartett frönt einem groovenden Funkjazz, der Raum für Improvisation lässt. Eröffnet wird das Festival am Freitagaband vom Trio des australischen Bassisten Lloyd Swanton The Necks, das gerade erst im Kito die Kunst der Zeitlupe zelebrierte (vgl. taz vom 16.5.). Das Trio verbindet Jazzimprovisation mit Einflüssen aus Minimal Music und Ambient zu betont gelassen voranschreitenden Klangforschungen.

Am Samstag ist dann das New Yorker Quartett Line Zero des Delmenhorster Saxophonisten Christoph Knoche zu hören. Knoche konnte 1998 immerhin einen Preis des führenden US-amerikanischen Jazzmagazins Downbeat einheimsen. Line Zero kreuzen in ihrer Musik Modern Jazz mit Einflüssen der Klassik des zwanzigsten Jahrhunderts. Anschließend spielt die Gruppe Night Ark des armenischen Oud-Spielers Ara Dinkjian auf. Hier treffen Einflüsse aus Jazz und armenischer sowie türkischer Folklore aufeinander. Zum Line-up der Band gehören mit Perkussionist Arto Tunçboyaciyan und Keyboarder Jim Beard zwei bekannte Jazzgrößen. Beard drückte bereits für John McLaughlin, Pat Metheny, Scofield und die Brecker Brothers die Tasten.

Auch der Sonntag steht im Zeichen weltmusikalischer Ausrichtung. Der Ney-Virtuose Kudsi Erguner kommt aus der Tradition der türkischen Sufis. Er zählt zu den führenden Instrumentalisten der Rohrflöte, die ein klassisches Instrument der Sufis ist. Mit dem fantastischen französischen Bassisten Renaud Garcia-Fons und dem Perkussionisten Bruno Caillat wird er die ZuhörerInnen in die meditativen Sphären der Sufi-Musik entführen. Zum Abschluss ist dann das Quartett der in Paris lebenden argentinischen Sängerin Silvana Deluigi zu hören. Sie versteht sich als Erneuerin des Tangos, erweitert die Traditionen um improvisatorische Spielräume und greift bei Texten auch schon mal auf Brecht oder Marguerite Duras zurück. Dabei verwandelt sie u.a. den Brecht/Weill-Klassiker „Surabaja Johnny“ in einen aufgeladenen Tango. Mit Juan José Mosalini spielt einer der ganz Großen des Bandoneons an der Seite der Sängerin, die über eine ausdrucksstarke Stimme verfügt und selbst Blues-Elemente in ihren erneuerten Tango integriert.

Wie jedes Jahr präsentiert das Jazzfest auch den einheimischen Nachwuchs, so spielt die Delmenhorster Big Band Jazz Invaders am Sonntagmorgen um 11 Uhr zur Matinee auf. Arnaud

Das 11. Jazzfest Delmenhorst findet von Freitag, 26. Mai, bis Sonntag, 28. Mai, im Kleinen Haus statt. Beginn jeweils 19.30 Uhr. Karten: Tel.: 04221/16 565