Atom geschönt

Greenpeace sieht im Ukraine-Gutachten der Osteuropabank „grobe Fehler oder Manipulation“

BERLIN taz ■ Die Osteuropabank hat die umstrittenen Atomreaktoren Chmelnizki 2 und Rowno 4 (K2/R4) in der Ukraine „schöngerechnet“: Diesen Vorwurf erhob gestern Greenpeace. Die Umweltschutzorganisation hatte zuvor zwei Gutachten über die Wirtschaftlichkeit von Ersatzkraftwerken für den Atomreaktor Tschernobyl überprüfen lassen. Dabei sei deutlich geworden, dass die neuen Atomkraftwerke im Vergleich zum alternativ möglichen Ausbau von Gas- und Kohlekraftwerken in der Berechnung bevorzugt wurden, berichtete Greenpeace-Sprecher Tobias Münchmeyer.

Um den Unglücksreaktor von Tschernobyl abschalten zu können, fordert die Ukraine finanzielle Unterstützung bei der Schaffung von Ersatzkapazitäten. Die Osteuropabank hatte daher im Mai 1998 eine erste Studie bei der amerikanischen Gutachterfirma Stone & Webster (S & W) in Auftrag gegeben, um die Wirtschaftlichkeit der Alternativen zu untersuchen. Anders als eine ebenfalls im Auftrag der Osteuropabank tätigen unabhängigen Expertenkommission hielt die Studie der atomfreundlichen S & W schon damals die Fertigstellung der Atomkraftwerke K2 und R4 für wirtschaftlich.

Im April 1999 wurde diese Studie wegen veränderter Rahmenbedingungen überarbeitet: Die ukrainische Währung Hrywnja hatte deutlich an Wert verloren, gegenüber dem Dollar allein 1998 um 20 Prozent. Weil ein erheblicher Teil der Arbeit und Zulieferungen in lokaler Währung bezahlt wird, sinken die Kosten für die geplanten Projekte. Zu diesem Ergebnis kommt auch S & W – allerdings nur bei den Atomkraftwerken. Die Kosten der Alternativen bleiben gleich.

Die Stuttgarter Consulting-Firma Fichtner, die die Gutachten im Auftrag von Greenpeace analysiert hat, hält dies für „nicht nachvollziehbar“. Vielmehr sollten die Kosten hier noch stärker fallen, meint Fichtner, denn „bei den konventionellen Kraftwerken ist mit einem erhöhten Anteil von heimischem Know-how und Material zu rechnen, die durch die Abwertung wesentlich günstiger zu erwerben sind.“

Greenpeace-Sprecher Münchmeyer stellt nun die Frage, ob es sich beim aufgetretenen Fehler „um Inkompetenz oder Manipulation handelt“. Auf jeden Fall, so fordert er, sollte die Osteuropabank sich auf ihrer Jahrestagung am kommenden Wochenende von den Atomplänen verabschieden. MALTE KREUTZFELDT