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Nigerias religiöse Spannungen

Nigeria ist historisch ein Flickenteppich aus Religionen und Völkern. Im Norden dominieren die muslimischen Haussas, im Süden die christlichen Yorubas und Igbos. Seit in der letzten Februarwoche mehrere tausend Menschen bei religiösen Unruhen ums Leben kamen, ist die Einheit des Landes in Gefahr. Die Gewalt begann im nordnigerianischen Kaduna. Unmittelbarer Auslöser dort waren Kämpfe zwischen christlichen Igbos und muslimischen Haussas am Rande einer christlichen Demonstration gegen die geplante Einführung des islamischen Rechts „Scharia“. Weite Teile der Stadt wurden daraufhin in wechselseitigen Pogromen zwischen religiösen Milizen zerstört, über 1.000 Menschen starben und viele christliche Igbos flohen aus Kaduna in ihre Heimatregionen im Südosten Nigerias. Dort kam es daraufhin zu Racheakten an Nordnigerianern mit mehreren hundert Toten.

Tieferer Grund für die Gewalt war das Bestreben mehrerer konservativ regierter Bundesstaaten im Norden Nigerias, die islamische Scharia als offizielles Recht einzuführen. Mit diesem verfassungswidrigen Schritt wollen die dort starken politischen Führer, die mit den früheren Militärherrschern Nigerias verbündet sind, die neue gewählte Regierung von Präsident Olusegun Obasanjo schwächen. Sie nehmen zugleich den möglichen Zerfall Nigerias in Kauf. Seit den Pogromen von Kaduna können sich viele Christen im Norden Nigerias ein gemeinsames Leben mit den Muslimen nicht mehr vorstellen, obwohl die beiden Religionen seit Hunderten von Jahren in Westafrika friedlich koexistierten. Christliche Politiker fordern die Teilung Kadunas in christliche und muslimische Bezirke, und in allen Ecken Nigerias herrscht Hochkonjunktur für Sezessionsgedanken – nur ein Jahr nach dem Ende der Militärherrschaft.