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: WOLFGANG MESSNER über Peter Voß als öffentlich-rechtlichen Dichter

GIFT SPEIENDE PRIMANERLYRIK

Wir alle kennen Peter Voß, den wortgewaltigen ARD-Vorsitzenden. Peter Voß, den machtbewussten Vorsitzenden des Südwestrundfunks (SWR), den agilen Gestalter der Fusion gleich zweier ARD-Anstalten. Voß, den alerten Ex-Moderator des „heute-journals“ im Zweiten Deutschen Fernsehen. Ein Mann, der Bart trägt und karierte Sakkos. Einer, der vom Karrieremachen nicht nur redete, sondern Karriere macht.

Aber kennen wir auch Peter Voß, den Dichter? Wissen wir, welch empfindsame Seele unter diesem harten Kern schlummert? Haben wir eine Ahnung davon, was es heißt, tagtäglich vor den Mitarbeitern und für die effektenhaschende Öffentlichkeit den knallharten Macher mit „Rambo-Mentalität“ (Stuttgarter Zeitung) spielen zu müssen, wo man doch nicht mehr sein will als ein sensibler Träumer?

Nein, haben wir nicht. Aber nun wissen wir’s. Denn jetzt hat uns Peter Voß alles offenbart und noch viel mehr: Peter Voß: „Zwischen den Kratern. Gedichte“. (Hohenheim-Verlag, 160 Seiten, 29,80 Mark). Geben wir dem Dichter selbst das Wort. Was treibt ihn um? Wo findet er sein Thema? Ist sein Ding der Tage Last und der Seele Pein?

Ganz genau. Sein Singen gilt dem Schönen der Natur, sein Klagen der Eitelkeit der Welt. Er ist ganz bei sich und in allen Dingen. Seinen Blick hat er auf die Fragilität des Lebens gerichtet, den fluchbringenden Fortschritt dialektisch verdammend und begrüßend: „Am Abendhimmel ziehn / kometengleich die Jets / mit rötlich hellem Schweif / dahin. / Fluch der Technik? Gebt / doch zu, daß dies den Himmel / schöner macht“, so sein Gedicht „Kometengleich“. Doch was ist mit der Liebe, die die Poesie beflügelt? „Liebe, die um Worte ringt / ist ein Vogel, der nicht singt / denk ich mir, der sie begehrt / die mich betört, doch nicht erhört (. . .)“ reimt sie sich durch das Werk „Ein Sommertag II“.

Aber der milde Wortstürmer kann auch anders, erdenschwerer, dunkler und existenzialistischer. „Hinten die Wälder / Streifen der Schwermut / dahinter die Küste, / Grenze des Meeres / das überfließt / in den Himmel. / Nur schwach / erhebt sich die Brandung./ Im Vordergrund: / Nichts. / Da solltest / du sein.“

Doch, da spürt man, dass Thomas Mann „frühe Pflichtlektüre“ (Klappentext) war, dass sich schon der 16-jährige „Niebelschütz, beide Jünger, Doderer, Musil, Canetti“ reingepfiffen hat. Da wird klar, dass er von „Benn, Celan und Brecht“, wohl auch von Trakl alles kopiert hat, was nicht niet- und nagelfest war. Oder war’s Wilhelm Busch? Literaturgeschichtlich ist sein Standpunkt kaum festzumachen. Vielleicht lässt es sich so fassen: Voß steht jenseits all dieser Dichter. So ist er auch von der Kritik schwer zu (be-)greifen.

In einem seiner schönsten Lieder, eben dem von der „Kritik“, nimmt er sich dieses kreativen Dilemmas an: „Ein Mensch, sensibel, wie er ist / vergisst, zumal als Journalist / doch leicht, wie er mit wenig Gift / den andern in der Seele trifft.“