Der große Ahnungslose

Untersuchungsausschuss: Der ehemalige Generalsekretär der hessischen CDU will von den Schwarzkonten seiner Partei in der Schweiz nichts gewusst haben

BERLIN taz ■ Der Mann war Generalsekretär der hessischen CDU von 1987 bis 1991 und anschließend parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Wiesbadener Landtag. Heute ist er Minister in der hessischen Staatskanzlei. Doch immer wenn es darauf ankam, war Dr. Franz Josef Jung „nicht verantwortlich“.

Ob es um die fingierten Vermächtnisse für die Hessen-CDU geht oder um andere dubiose Vorgänge bei der hessischen CDU: Minister Jung antwortete gestern vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zur CDU-Finanzaffäre auf die immer gleiche Art und Weise: „Da war ich nicht mehr zuständig.“

Als er 1987 unter dem damaligen Landesvorsitzenden und späteren Bundesinnenminister Manfred Kanther Generalsekretär geworden war, habe ihm Kanther gesagt: „Sie müssen sich um alles kümmern, nur nicht um die Finanzen. Das macht der Prinz in hervorragender Weise.“

Schließlich sei Casimir Prinz zu Sayn-Wittgenstein schon lange Jahre Schatzmeister der Hessen-CDU und Kanther „eine Institution“ gewesen. Er habe sich daran gehalten und könne deswegen auch nichts von der Verbuchung des ersten angeblichen „Vermächtnisse“ an die Hessen-CDU wissen. Die 3,9 Millionen Mark wurden in seiner Amtszeit auf Konten der Hessen-CDU transferiert.

Das Geld gehört zu rund 20,8 Millionen Mark, die die hessische CDU 1983 auf schwarze Konten in die Schweiz geschafft hat. Angeblich soll es sich dabei um Ersparnisse der Partei handeln, die ins Ausland geschafft wurden, um das hiesige Parteispendengesetz zu umgehen.

Der Verdacht liegt allerdings nahe, dass es sich um Geld aus der Staatsbürgerlichen Vereinigung (SV) handelt, die im Zusammenhang mit dem Flick-Skandal als größte Geldwaschanlage der Republik enttarnt worden war. Als sicher gilt, dass davon 1989, 1991 und 1996 insgesamt rund 12,7 Millionen Mark zurück nach Hessen flossen.

Doch weder von den Schwarzgeld-Millionen noch von den Rückführungen will Jung gewusst haben. Angeblich fielen ihm die Summen auch nicht beim „groben“ Lesen der Rechenschaftsberichte auf.

„Mein Wissen begann am 14. Januar 2000“, betonte er gestern – das war, als in der Präsidiumssitzung seiner Partei die angeblichen Vermächtnissen von „deutschstämmmigen jüdischen Emigranten“ als Schwarzgeld enttarnt worden waren, nachdem der Hessen-Skandal schon fast zwei Monate schwelte.

Auch in einem anderen heiklen Finanzkapitel der Hessen-CDU spielt Jung den Ahnungslosen. Sein früherer Mitarbeiter Franz-Josef Reischmann wurde wegen Unterschlagung von 2,2 Millionen Mark fristlos entlassen. Statt ihn anzuzeigen, hat die CDU in Absprache mit Kanther und ihrem Finanzberater Horst Weyrauch ihn ein notarielles Schuldeingeständnis über eine Million unterzeichnen lassen und sich nur 550.00 Mark zurückzahlen lassen. Jung war Reischmann gegenüber aufsichtspflichtig, will aber nicht in Details des Vorgangs eingeweiht gewesen sein. Angeblich hat er auch seinen Freund, den heutigen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, der damals Fraktionsvorsitzender war, nicht über den Vorgang informiert.

Welche Gründe die CDU-Verantwortlichen zu dieser Großzügigkeit veranlasst haben, blieb unklar. Wie viel wusste Reischmann über die Schweizer Schwarzkonten? In seiner anschließenden Vernehmung sagte er, er habe 1983 mitbekommen, dass 8,3 Millionen ins Ausland gegangen seien – das Ganze aber für sich behalten. KARIN NINK