Nur noch 260 Zivis für Bremen?

■ Herbe Einschnitte durch Bundeswehr-Reform befürchtet

Erste Verlautbarungen zur Bundeswehr-Strukturreform setzen den Bremer Verbänden derzeit ganz schön zu: Ändert sich die Wehrpflicht, steht auch der Zivildienst in Frage. Und damit die Beschäftigung von rund 1.300 Zivis im sozialen Bereich.

Wenn nach ersten Plänen nur jeder Fünfte in die Armee gezogen wird, müsste auch nur jeder Fünfte zum Einsatz zu Essen auf Rädern, fordert nämlich zum Beispiel Ulrich Finkh von der Zentralstelle für Recht und Schutz des Kriegsdienstverweigerers (KDV) in Bremen Gleichbehandlung ein. Doch das würde herbe Schnitte im Sozialwesen nach sich ziehen: Den Einrichtungen in Bremen blieben nur magere 260 Zivis übrig – um die sich die derzeit 390 Zivi-Arbeitgeber dann reißen dürften. Das könnte zwar neue Arbeitsplätze schaffen – aber auch Kostenexplosionen im Sozialwesen.

Zwar weiß „im Moment noch niemand genau, wohin die Reise geht“, meint Andreas Wübbena vom Deutschen Roten Kreuz: Erst am 23. Mai soll der Abschlussbericht der Wehr-Strukturreform vorliegen. Erst dann soll sich eine Bundesarbeitsgruppe zusammen mit den Verbänden über die Wehrdienst-Zukunft unterhalten. Dennoch sieht zum Beispiel die Bremer Arbeiterwohlfahrt (AWO) „schweren Zeiten“ entgegen. 85 Zivis beschäftigt die AWO – „natürlich wäre das ein Problem, wenn so viele Hände wegfallen“, erklärt Mitarbeiterin Elke Rodenburg. Der mobile soziale Hilfsdienst wird derzeit nur von Zivis gemacht. Auch die Caritas müsste bei Bahnhofsmission und Essen auf Rädern massiv umdisponieren. Würden die Zivis durch Vollzeitkräfte ersetzt, „werden entweder die Leistungen teurer, oder das Angebot wird kleiner“, erklären AWO und Caritas.

Zwar soll laut Gesetz kein Zivi einen Arbeitsplatz besetzen. Doch in der Regel funktioniert das nicht: Nach Berechnungen der Zentralstelle KDV ersetzen drei Zivis zwei reguläre Arbeitsplätze. Ohne Zivis könnten bundesweit 90.000 Arbeitsplätze entstehen.

Betriebswirtschaftlich wäre die Vollbeschäftigung zwar teurer: Drei Zivis kosten rund 90.000 Mark im Jahr. Mindestens 120.000 Mark müsste der Arbeitgeber für zwei reguläre Arbeitskräfte ausgeben. „Aber volkswirtschaftlich rechnet sich das“, erklärt Ulrich Finkh. Denn der Staat kassiere dafür schließlich Steuern und Abgaben. Bislang zahlt der Staat 20.000 Mark pro Zivistelle – das Geld müsste dann an die Länder gehen, fordert Finkh.

Anstatt nur ein Fünftel der Zivis zu ziehen, glauben die meisten Verbände eher, dass die Zeit verkürzt wird. Aber so manche Einrichtung wird auch damit nicht leben können: „Abzüglich Urlaub, Einführung und Lehrgang bleibt schon mit elf Monaten nicht mehr viel Zeit für den Dienst am Menschen“, erklärt Marco Zaric von der Caritas. In der Schwerstbehindertenbetreuung ist häufiger Wechsel untragbar.

Nach Meinung der Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Bremen haben sich die Verbände allerdings selbst in den Schlamassel gebracht: „Die haben sich nicht um Alternativen gekümmert“, erklärt Andreas Pundsack von der DFG-VK – und viel zu lange weiter auf den Zivi gesetzt. „Dabei gibt es die Diskussionen nicht erst seit gestern.“

Eigentlich sei das eine politische Debatte, erklärt dazu AWO-Frau Rodenburg: „Wird beim Zivildienst gestrichen, entstehen an anderer Stelle Kosten“. Zwar laufen derzeit Gespräche mit Sozialsenatorin Hilde Adolf (SPD). Doch die hat bereits klargestellt: Finanzielle Unterstützung könne sie angesichts knapper Haushaltsmittel nicht zusagen. pipe