„Außerordentlich betrüblich“

■ Helmut Fröhlich ist heute fröhlicher Pensionär / Als Innensenator hatte er den Einsatz am Weserstadion zu verantworten

Helmut Fröhlich war von 1971 bis 1983 Bremer Innensenator. Der Sozialdemokrat war verantwortlich für den Einsatz der Polizei bei der Straßenschlacht. Trotz Rücktrittsforderungen nach den 6. Mai 1980 blieb er im Amt. Heute kümmert sich der 70jährige Pensionär nicht mehr um die innere Sicherheit, sondern vor allem um sein Bootshaus am Schweriner See.

taz: Herr Fröhlich, wie verbringen Sie diesen Tag?

Helmut Fröhlich, Ex-Innensenator: Am Vormittag werde ich an einem 50. Geburtstag teilnehmen und abends werde ich am Sender sitzen und mir anhören, was Werder Bremen mit Bayern macht.

Sie könnten ja auch einen Spaziergang über den Osterdeich machen.

Nein nein nein, das ist vorbei. Aber vergessen werde ich den 6. Mai 1980 nie. Das war ein schwarzer Tag und insgesamt eine schwere Zeit für Bremen. Die Demonstration an sich war ja nicht das Entscheidende, sondern diese Gewalt. Das waren zum Teil Kriminelle, die aus allen Ecken des norddeutschen Bereichs kamen.

Die Polizei soll schlecht vorbereitet gewesen sein.

Das kann man nicht sagen. In dieser Zeit waren ja ständig Demonstrationen. Aber die Polizei war noch nicht so gut ausgerüstet, um ausreichend geschützt zu sein. Wir hatten ja 257 Verletzte bei den Beamten.

Wissen Sie noch, wieviele Demonstranten verletzt wurden?

Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das waren in jedem Falle wesentlich weniger. Das Problem war, dass die Demonstranten oben auf dem Osterdeich standen, und die Polizei war unten. Die brauchten oben nur die Pflastersteine runterpfeffern, das war das Schlimme.

Bewerten Sie diese Vorfälle heute anders?

An meiner Meinung hat sich nichts geändert. Ich habe es außerordentlich betrüblich gefunden, daß eine Veranstaltung der Bundeswehr, die ja ein integraler Bestandteil unserer Gesellschaft ist und das auch in den letzten zwanzig Jahren ständig bewiesen hat, von diesen Demonstranten zum Anlaß genommen wurde, mit einer noch nie gekannten brutalen Gewalt gegen die Polizeibeamten vorzugehen. Wir können nur Gott danken, daß es keine Toten gegeben hat.

Es wurden damals Rücktrittsforderungen auch gegen Sie erhoben.

Natürlich! Und zwar von denjenigen, die zu der ersten Demonstration aufgerufen hatten, den Jusos. Anschließend haben sie meinen Rücktritt gefordert. Teile der SPD haben ja auch sehr kritisch Stellung bezogen, und ich bin der Auffassung, dass man auch durchaus kritisch Stellung zu den Ereignissen nehmen kann. Aber die Frage ist doch, ob man erst ein Bett bereitet, um dann so eine Riesen-Demo mit einem solchen Gewaltpotential durchführen zu können.

Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund eigentlich die Entwicklung von Henning Scherf?

Enorm. Er hat gesagt, dass er Fehler gemacht hat. Und ein junger Mann, der lernt, den akzeptiere ich auch. Ja, wir waren die beiden Potentaten im Senat. Aber heute verstehen wir uns sehr gut. Ich bewundere Henning Scherf heute.

Können Sie sich vorstellen, dass in Bremen noch einmal ein Gelöbnis stattfindet?

Ja. Heute haben wir in dieser Frage eine ganz andere gesellschaftliche Stimmung.

Bereuen Sie Entscheidungen, die Sie damals als zuständiger Innensenator getroffen haben?

Nein, keinesfalls. Das einzige, was man hätte tun müssen – wahrscheinlich noch mehr Beamte holen. Ich hab das damals sehr bedauert. Aber ich würde das heute wieder so machen.

Fragen: Milko Haase