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: Neue Partykonzepte für Berlin: Der leiseste Club der Welt und Boogie Nights im Bastard

DREI ENGEL FÜR CHARLIE WIEDER GESEHEN

Der amerikanische Schriftsteller und Jugendforscher F. Scott Fitzgerald schrieb 1922 in seinen Roman „Die Schönen und Verdammten“ einen wahrhaft schönen und lehrreichen Satz: „In den Zwanzigern beginnt die eigentliche Spannkraft des Lebens nachzulassen, und ein schlichtes Gemüt ist, wem mit dreißig ebenso viele Dinge bedeutungsvoll und wichtig sind wie zehn Jahre zuvor“.

Zumindest das mit der Spannkraft wissen all die nur allzu gut, die in den 90ern mit der Clubkultur groß geworden sind. Irgendwann ist eben Schluss mit lustig, irgendwann sind Ruhe und Entspannung angesagt, irgendwann sitzt man halt lieber auf dem Sofa, als dass man sich auf einer Tanzfläche austobt.

In der Puschkinallee an der Grenze zwischen Kreuzberg und Treptow, in einem alten Lagerhaus an der Spree, gibt es jetzt einen Club, der genau diesen Bedürfnissen entgegenkommt, „der leiseste Club der Welt“.

Nomen est omen, keine Frage, und auch sonst stimmt hier alles. Friedhofskerzen weisen den Weg in den großen und düster wirkenden Clubraum, an dessen Eingang man höflich gefragt wird, ob man per E-Mail den Einladungsflyer für den nächsten Clubabend bekommen möchte. Eine Tanzfläche gibt es nicht, und ausreichend Sessel und Sofas sowie mehrere Schaukeln sorgen dafür, dass man gar nicht auf die Idee kommt, herumzustehen oder sich hektisch zu bewegen. Es ist alles ein bisschen langweilig, schläfrig gar, doch das gehört zum Konzept. So was wie Jugend, Drum & Bass oder Speed Garage findet auf einem anderen Planten statt.

An diesem ersten Mai – auch das macht Sinn, ein paar Straßen weiter in Kreuzberg brennt die Luft, hier schaut man von einer Balustrade auf die Spree und trinkt warmen Margherita – ist Barbara Morgenstern zu Gast. Ihre befindlichkeitsschweren Lyrics und heiteren Keyboardklänge hört ein Spektrum von Leuten, das von Jan Jellinek (Farben, Gramm), Mercedes Bunz (De: Bug) bis zu Almut Klotz (Flittchen, Maxi) reicht. Beim Loungen sind sich eben alle einig. Ob das jetzt ein Trend ist oder nicht, ist den meisten Besuchern des leisesten Club der Welt sowieso herzlich egal: Nach der Party ist hier auch vor der Party und der nächste Tag immer der schwerste.

Das gilt auch für einen Laden wie das Bastard im Prater. Da mögen sich die Volksbühne und andere Betreiber noch so mühen, ins Bastard geht man meist weniger der eigentlich gar nicht schlechten Veranstaltungen wegen, als vielmehr, um einfach ein paar Freunde, Nachbarn und Gleichgesinnte zu treffen und ein bisschen abzuhängen. Das Bastard ist eher Lounge als Rockvenue, eher schlecht riechende Teestube mit angeschlossenem Cocktailausschank als Club.

Hin und wieder geschehen aber auch hier sprichwörtlich Zeichen und Wunder. Als nämlich neulich eine mutmaßliche Berliner (Spaß-)Band namens Sexo y droga auftrat und Henny von den Pop Tarts featurte, war den meisten Anwesenden auf einmal ziemlich egal, was um sie herum noch so passierte.

Wichtig war auf der Bühne, wichtig waren die fünf Herren, von denen drei befremdliche, aber irgendwie coole Schnauzer trugen, Manni Burgsmüller und Bernd Schuster revisited, und wichtig war ihrer stumpfer und trockener Rock, den man irgendwo zwischen den Stooges und Union Carbide Productions konnte.

Da ging plötzlich die Zeitmaschine an, da standen drei Engel für Charlie im Saal und rote Corvettes vor der Tür, da bekam man ein Gefühl für Retro-Coolness und Boogie Nights. Um es mit Fitzgerald zu sagen: Schlichte Gemüter, wohin man auch schaute, verdammt bis in die nahe Zukunft.

GERRIT BARTELS