Der Film zum Buch

Erst tingelte der DDR-Devisenbeschaffer Schalck-Golodkowski mit seinen Memoiren durch die Talkshows, nun würdigt ihn auch der SFB

Mythen beleben das Erinnerungen-Geschäft bekanntlich am besten. Was Guido Knopp im ZDF mit „Hitlers Helfern“ kann, das müsste doch auch mit der DDR klappen, dachte sich der SFB. Allzu viel schillernde Figuren hatte die SED-Nomenklatura zwar nicht zu bieten, dafür mit Alexander Schalck-Golodkowski eine um so herausragendere. Honeckers Helfer ist zehn Jahre nach dem Untergang der DDR immer noch so geheimnisumwittert das Ende der „Titanic“.

Leider stand viel weniger Geld und Länge als beim „Titanic“-Film zur Verfügung, um das Porträt über den legendären Devisenbeschaffer, Stasioberst und DDR-Staatssektretär a. D. zu drehen. Verdient hätte er es sich allemal, denn Schalcks Geldsammelverein „Kommerzielle Koordinierung“ (KoKo) wird das zugestanden, was man in der DDR sonst nur noch dem Spitzensport nachsagt: leistungsbezogenes, ergo marktwirtschaftliches Handeln auf Weltniveau. Wie konnte es dazu kommen, fragt sich nicht zuletzt die in puncto Marktwirtschaftserfolg unverändert einen Alleinvertretungsanspruch reklamierende westdeutsche Öffentlichkeit fassungslos. Wie konnte so ein Talent in der DDR überhaupt reifen?

Die Grundlagen, klärt uns der Film auf, wurden natürlich schon vor der DDR gelegt. Schon der kleine Alexander, 1932 in Berlin geboren, verhökerte die Seifenproben seines als Vertreter einer Seifenfirma arbeitenden Vaters an die benachbarte Bäckersfrau. Zwischen ihm und seiner Mutter habe daraufhin eine „Vertrauenskrise“ geherrscht. Vertrauen war für Schalck neben dem Geschäftssinn der wichtigste innere Wert. Nur so entwickelte er sich zu jenem cleveren, aber beamtentreuen Diener seiner Herren – die da hießen Stasichef Mielke, Wirtschaftsboss Mittag und Parteivoritzender Honecker. In seinem preußischen Treuegefühl für die DDR – oder besser: deren politische Führung – warf er (nach dem Motto „die Devise heiligt das Geschäft“) bald alle moralischen Bedenken über Bord. Die 1966 von ihm erfundene KoKo verkaufte Waffen, dealte mit DDR-Bürgern abgepressten Antiquitäten und zockte gar mit ihren Devisen an westlichen Börsen.

Nur die DDR-Wirtschaft retten konnte das alles nicht, was dem großen Dicken mit den schwarzen Geschäften beizeiten ahnte. Erst beschaffte er im offiziellen Auftrag Anfang der 80er von Franz Josef Strauß die Milliardenkredite, dann heckte er selbst die verwegensten Pläne zur Verhinderung des DDR-Bankrotts aus: eine Konföderation mit der BRD (er hortete bereits 21 Tonnen Gold als Notreserve im KoKo-Keller), später wollte er den Mauerfall zum Tausch anbieten. Und als die durch Schabowskis Schusseligkeit unkontrolliert öffnete, riet er Krenz, die Panne als Absprache mit Kohl noch positiv zu vermarkten. Als dann auch noch im November 1989 seine Bitte an Schäuble fehl schlug, die vom Spiegel (gemeinsam mit dem Verfassungsschutz) vorbereitete Enthüllungsstory über die Machenschaften des KoKo-Imperiums zu verhindern, stand seine Rolle als Sündenbock auch in der neuen DDR-Führung fest. Um einer bevorstehenden Verhaftung zu entgegehen, floh er überstürzt nach Westberlin.

Nach unzähligen Ermittlungsverfahren, aber nur einer Verurteilung auf Bewährung (wegen Embargoverstoßes) lebt er heute am Tegernsee und unterstützt die deutsche Wirtschaft im Chinageschäft. Sehr löblich. Negative Kommentare über ihn gibt’s denn auch nicht in den 45 Filmminuten, weil die Autoren (der Historiker Hans-Hermann Hertle und die Journalistin Kathrin Elsner) bei der Kürze alle Konzentration auf Schalck und nicht die KoKo richten wollten. Zudem seien, so sagt Autor Hertle, auch keine schlechten Stimmen bekannt gewesen. Bei seinen früheren Recherchen für den Film „Als die Mauer fiel“ hätten ehemalige West-Geschäftspartner bis hin zu Schäuble Schalck stets als korrekt und zuverlässig gerühmt.

Wie gesagt, zum ausführlicheren Nachhaken fehlte die Zeit, weil das Geld. Von Schalck konnte man ja leider auch nichts erwarten, denn der meinte zu seinen angeblich in der Schweiz versteckten Milliarden nur: „Mir sind keine Geheimnisse bekannt, die ich vorsätzlich der Öffentlichkeit vorenthalte.“ Ein Satz wie für einen Untersuchungsausschuss gedrechselt. Der Mann hätte nach seiner Flucht in den Westen CDU-Schatzmeister werden sollen.

GUNNAR LEUE

Das Porträt „Alexander Schalck-Golodkowski – Händler zwischen den Welten“ (22.15 Uhr, B1) läuft in den nächsten Monaten auch auf N3, SWR und MDR