Gute Spekulanten, schlechte Spekulanten

Frankreich besteuert Kapitalgewinn: Wer Aktien sechs Jahre hält, zahlt weniger als nach vier Jahren – auch wenn Gewinn größer ist

PARIS taz ■ Der Ex-Chef des Mineralölkonzerns Elf Aquitaine besitzt welche. Neun Spitzenmanager der Parfüm herstellenden Tierquäler von L'Oréal haben welche. Und rund 28.000 weitere Franzosen sind ebenfalls von ihren Patrons mit „Stock-Options“ bedacht worden. Alle anderen Beschäftigten bekommen bloß einen schnöden Lohn für ihre Arbeit und wissen oft nicht einmal genau, was das englische Wort überhaupt bedeutet.

Trotzdem hat die Debatte über die Optionsscheine auf Aktien in den vergangenen Monaten die französische Öffentlichkeit leidenschaftlich entzweit. Besonders innerhalb der Linken ist umstritten, wie mit den millionenschweren Spekulationsgewinnen einiger Spitzenverdiener umzugehen ist.

Seit Mittwoch hat sich die größte Regierungspartei zu einem Kompromiss zusammengerauft. Die PS (Partie Socialiste), in der ein Jahr vor den Kommunalwahlen wieder Flügelkämpfe ausgetragen werden, beschloss eine neue steuerliche Regelung. Sie will die Spekulationsgewinne aus „Stock-Options“ je nach Höhe besteuern. Wer nach vier Jahren über eine Million Franc (rund 300.000 Mark) Gewinn erzielt, muss 50 Prozent Steuern zahlen. Wer darunter bleibt, nur 26 Prozent. Wer, obschon Millionengewinner, mindestens sechs Jahre lang abwartet, bevor er seine Optionsscheine einlöst, muss nur 40 Prozent Steuern zahlen.

Mit dieser Unterscheidung in „gute“ und „schlechte“ Spekulanten ist es dem neuen Finanzminister Laurent Fabius – ein den Märkten und Börsen wohlgesonnener Sozialist – gelungen, den linken Flügel seiner Partei ruhigzustellen. Doch erst am 16. Mai, wenn Fabius seine Steuerpläne in der Nationalversammlung zur Debatte stellt, wird sich zeigen, ob auch die kommunistischen und grünen Regierungsmitglieder damit leben können.

Ausgelöst hatte die „Stock-Options“-Debatte eine Indiskretion über den vergoldeten Abgang von Elf-Aquitaine-Chef Philippe Jaffré. Nach der Fusion seines Konzerns mit „Total-Fina“ im vergangenen Jahr war bekannt geworden, dass Jaffré sich von seinem Aufsichtsrat hatte „Stock-Options“ bewilligen lassen, die ihm einen Spekulationsgewinn von angeblich über 200 Millionen Franc (rund 60 Millionen Mark) garantieren. Die Geheimniskrämerei an der Spitze des einstigen Staatsunternehmens und die Höhe der Summe sorgten für einen Aufschrei des Entsetzens und für den Ruf nach „mehr Transparenz“.

Seither stellte sich heraus, dass Jaffré mit seinen „Stock-Options“ nicht allein ist. Außer den einigen tausend Spitzenmanagern, von denen manche mehr mit den bedeutend niedriger besteuerten Stock-Options als mit ihren Gehältern verdienen, verfügen inzwischen auch mehrere tausend Angestellte von so genannten „Start-Ups“ darüber. Die meist in der Elektronikbranche angesiedelten jungen Unternehmen locken ihr Leitungspersonal mit der Beteiligung am Börsengewinn, weil sie ihm keine konkurrenzfähigen Löhne anbieten können. Motto: „Du verdienst zwar wenig, aber wenn’s an der Börse klappt, kannst du in einigen Jahren reich werden.“

DOROTHEA HAHN