Börsenprofit mit Waffenforschung

Die britische Regierung will ihr militärisches Forschungsinstitut an die Börse bringen. Kampfstoffe bleiben in staatlicher Hand. Gewerkschaft und Parlament opponieren, weil die wissenschaftliche Qualität unter der Privatisierung leide

von RALF SOTSCHECK

Die britische Regierung will Teile ihres militärischen Forschungsinstituts Dera an eine Wagniskapitalfirma verkaufen, um es für den Gang an die Börse im nächsten Jahr flott zu machen. Die Wagniskapitalfirma soll bei der Reorganisierung des gesamten Unternehmens helfen, bevor es in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird. Dera soll in verschiedene Bereiche zergliedert werden.

Aus Sicherheitsgründen werden die chemische und biologische Abteilung in Porton Down – rund ein Viertel des Unternehmens – im Regierungsbesitz bleiben. Bei den Bereichen, die verkauft werden, will die Regierung einen Anteil behalten. Darüber hinaus dürfen Privatkäufer und andere Unternehmen nicht mehr als jeweils 5 Prozent der Aktien erwerben, die Abgabe an ausländische Käufer soll insgesamt auf 30 Prozent begrenzt werden, wie es auch bei der Privatisierung von Rolls-Royce und British Aerospace der Fall war.

Dera ist eines der größten britischen Forschungsinstitute, die Arbeitsgebiete reichen von Computertechnologie bis zur biologischen Kriegführung. Bei der computergesteuerten Spracherkennung im militärischen und zivilen Bereich ist das Institut in Europa führend. Außerdem hat Dera durch Zufall flache Lautsprecher erfunden, als man mit Materialien zur Schallisolierung für Hubschrauber experimentierte.

Bei Dera sind 12.000 Menschen beschäftigt, in den vergangenen Jahren hat das Institut 20 bis 30 Millionen Pfund Profit im Jahr gemacht. Diese Gewinnmarge wird nach der Privatisierung nicht zu halten sein, weil das Verteidigungsministerium versuchen wird, die Preise zu drücken, wenn es Kunde und nicht mehr Eigentümer ist. Zudem werden die Direktoren dann nicht mehr als bescheidene Staatsdiener, sondern nach den Maßstäben der Rüstungsindustrie bezahlt.

Der Verteidigungsausschuss des Unterhauses hat bereits zwei Mal Widerspruch gegen den Verkauf eingelegt, doch daran ist die Regierung nicht gebunden. Der Vorsitzende des Ausschusses, Bruce George, sagte: „Die enge Zusammenarbeit mit ähnlichen Unternehmen in den USA könnte unter der Privatisierung leiden.“ Der Verkauf soll mindestens eine Milliarde Pfund in die Staatskasse bringen.

Auch die Gewerkschaften sind gegen den Teilverkauf. Sie bezeichnen die Pläne als „eine auf Kohabitation geschminkte Scheidung“. Die Sprecherin Fiona Draper sagte: „Die Privatisierung zerstört die wissenschaftliche Expertise im Verteidigungsministerium und gefährdet die Beziehungen zwischen britischen Wissenschaftlern und den USA. Am schlimmsten aber ist, dass der Hauptzweck des Deals, der Transfer von Militärtechnologie in den privaten Sektor, von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.“