Hochwasser an der Theiß ist Schuld des Menschen

Eindeichungen verursachen Überschwemmungen in Ungarn. Frauen wollen sich nicht evakuieren lassen. Hochwasser entgiftet Fluss

BERLIN taz/afp ■ Sie trotzen dem Hochwasser: Obwohl die Lage im ungarischen Hochwassergebiet weiterhin gespannt ist, weigern sich drei Viertel der betroffenen Menschen, ihre Häuser zu verlassen. Vor allem Frauen aus drei Dörfern im Nordosten des Landes wollen nicht evakuiert werden, sondern mit den Männern gegen die Fluten kämpfen.

Nirgendwo in Europa ist laut der Umweltorganisation WWF der Verlust an natürlichen Überschwemmungsflächen derart dramatisch wie an Ungarns zweitgrößtem Fluss, der Theiß. Emil Dister, Leiter des Auen-Instituts des WWF in Rastatt, wundert sich nicht über das Ausmaß der Überschwemmung: „Früher war fast ein Drittel der Fläche Ungarns überschwemmbar“, erklärt Dister. Doch seit dem 19. Jahrhundert gingen allein an der Theiß durch Eindeichungen über 600.000 Hektar Überschwemmungsflächen verloren – das sind 84 Prozent der einstigen Ausweichgebiete des Flusses. Im vergangenen Jahr hatte der WWF deshalb vorgeschlagen, ausgedeichte Gebiete wieder an den Fluss anzuschließen und zu überschwemmen.

Das Hochwasser hat bisher rund 600 Häuser beschädigt. Auf die Natur wirkt es laut WWF dagegen belebend: Auf den überschwemmten Flächen können sich zahllose Fische, darunter viele gefährdete Arten, vermehren. Diese dienen wiederum als Nahrungsgrundlage für Vögel wie den Silberreiher. Das Hochwasser beschleunigt damit die natürliche Wiederbesiedlung der geschädigten Flussbereiche. Zudem verdünne das Hochwasser die giftigen Schwermetalle, die bei dem zweiten Bergwerksunfall im Februar in die Theiß gespült worden waren. Gestern arbeiteten 15.000 Menschen daran, die Deiche zu verstärken. Laut Vorhersagen könnte das Hochwasser noch weitere 20 Tage anhalten. Bis Ende Mai verhängt das Parlament daher Hochwasser-Notstand. KATJA TRIPPEL