Atomkonsens hängt an RWE

AKW Mülheim-Kärlich soll ein paar Jahre Laufzeit bringen. Bundeskanzler soll nicht völlig dagegen sein. Unionsregierte Länder versprechen Industrie Hilfe gegen den Ausstieg, Trittin will sie außen vor lassen

BERLIN taz ■ Die seit über einem Jahr laufenden Verhandlungen zwischen den Stromkonzernen und der Bundesregierung über den Ausstieg aus der Atomenergie sind wieder einmal ins Stocken geraten. Eigentlich ist eine Einigung nicht mehr fern. Jedoch scheint sich vor allem Deutschlands größter Hersteller von Atomstrom, die RWE, quer zu legen.

Die Wirtschaft habe grundsätzlich die Forderung der rot-grünen Koalition nach einer Laufzeit für die 19 am Netz befindlichen Atommeiler von 30 Jahren akzeptiert, berichtete das ZDF am Sonntag in seiner Sendung „berlin direkt“. Das Umweltministerium meinte dazu mit Hinweis auf die vereinbarte Vertraulichkeit nur: „Kein Kommentar.“

Das Problem auch an der ZDF-Meldung steckt im Wort „grundsätzlich“: Denn nach verschiedenen Informationen fordert die RWE die Einbeziehung des AKW Mülheim-Kärlich in die Verhandlungen. Dieser 1.300-Megawatt-Reaktor lief bisher nur ein Jahr im Probebetrieb, ist also fast neu. Er wurde durch Anwohner-Klagen in allen Instanzen gestoppt, weil die Genehmigungsunterlagen nicht in Ordnung waren. Speziell mit der Erdbebensicherheit hapert es. Nun klagt die RWE gegen das Land Rheinland-Pfalz auf Schadenersatz. Das Land hatte noch unter dem damaligen CDU-Ministerpräsidenten Helmut Kohl trotzdem eine Betriebsgenehmigung erteilt.

Wenn die theoretische Betriebsdauer von Mülheim-Kärlich mitgerechnet wird, steigt die Betriebsdauer der restlichen 19 AKW von 30 auf 31 oder 32 Jahre.

Wie das ZDF weiter berichtet, ist auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) grundsätzlich bereit, einer Einbeziehung von Mülheim- Kärlich zuzustimmen. Schröder hat der Industrie für einen erfolgreichen Abschluss der Energiegespräche eine Frist bis zu den Parlamentsferien gesetzt.

Die Vorsitzenden von CDU und CSU, Angela Merkel und Edmund Stoiber, bekräftigten in der Welt am Sonntag die Ablehnung des Atomausstiegs. Stoiber: „Wir sind uns einig, dafür alle Hebel in Bewegung zu setzen.“ Merkel betonte, es werde „keinen Energiekonsens geben, wenn man versucht, die Länder und die Opposition auszuschalten“.

Trittin entgegnete in einem dpa-Gespräch, da CDU und CSU ihre grundsätzliche Haltung nicht änderten, „besteht jetzt kein Grund, sie in die Gespräche mit einzubeziehen“. Sein Ministerium versucht, alle Regelungen zum Atomausstieg nicht zustimmungspflichtig für die Länder zu verfassen. MARIA KLEINSCHROTH