berliner szenen
: Kultur im Grunewald

RUMÄNIEN

Was fällt einem zu Rumänien ein? Zunächst einmal garantiert nichts Gutes. Man denkt an die jüngste Umweltkatastrophe, tote Fische in verseuchten Seen, an australisch-rumänische Goldgräberkonzerne und nicht vorhandene Umweltgesetze. Man hat die Fernsehbilder von missgebildeten Kindern vor Augen und die einer nachhaltig zerstörten Landschaft. Und wir erinnern uns natürlich immer noch an Ceauçescu und Konsorten. Bei dem Gedanken an Korruption allerdings sollte man in Deutschland eher etwas zurückhaltender sein. Trotzdem ist Rumänien einigermaßen unten durch und hat ziemlich schlechte Karten in der EU.

Man wird also früher oder später sarkastisch und stellt Fragen. Zum Beispiel diese: Rumänien leistet sich in verschiedenen Städten Kulturinstitute. Auch in Berlin gibt es seit drei Monaten ein solches Institut. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden, aber warum muss dieses Institut ausgerechnet in dieser potthässlichen, preußisch-protzigen ehemaligen Industriellenvilla an der Koenigsallee 20, weitab von jeglicher urbanen Kultur, im schnieken, aber verschlafenen Westberliner Bezirk Grunewald angesiedelt sein? Wer hat das zu verantworten?

Das Land wäre bestimmt besser beraten gewesen, sich etwa eine Etage in der Mitte Berlins zuzulegen, die erstens viel billiger gewesen wäre und zweitens viel näher am Kulturleben der Stadt läge – also viel attraktiver für das Publikum und die rumänische Kultur erscheinen dürfte, die ja in Berlin auch für den Staat werben soll. Dort könnte das Land sein Ansehen durch Transparenz und Volksnähe pflegen. Doch so, wie das Institut jetzt wirkt, hat es den Reiz einer nekrophilen Behörde.

Schwarze, zwei Meter hohe, monströs verzierte Holzpaneele, disproportionierte und finstere Fenster oder Türen, mit entsprechenden Gardinen und ein grausamer Wandanstrich vermitteln den Eindruck, dassKunst und Kultur hier absolut nicht geduldet werden. Keine Chance jedenfalls für Skulptur, Malerei, Konzert und Literatur (die wenigen Bücher im Veranstaltungsraum stehen auch noch hinter Gittern).

Trotzdem gibt es hartgesottene rumänische Künstler, die sich breit schlagen lassen, in diesem faschistisch anmutenden Mausoleum ihre Kunst zu zeigen. Für die nicht dieses Kulturinstitut, sondern in erster Linie Berlin ein wichtiger Punkt ihrer Biografie darstellt. Eine dieser mutigen Künstlerinnen, die den Kampf gegen diese depressive Kulturgruft aufzunehmen versuchen, ist die Malerin Paulinha Mihai, die mit ihren großformatigen Bildern tapfer gegen den Unort ankämpft. Noch bis zum Wochenende, von 10 bis 18 Uhr.

Aber das kann ihr nicht gelingen, sie muss zwangsläufig scheitern, zu mächtig ist die Architektur. In einem anderen räumlichen Kontext würden ihre Arbeiten eine wunderbare Ausstellung abgeben. Ihre abstrakten, an Landschaften erinnernden Kompositionen könnten sich in einem helleren Ambiente voll entfalten, hier aber werden sie schön langsam durch Ersticken exekutiert. Das wird wiederum kaum einer merken, denn die Gefahr, dass sich kunstsinnige Besucher hierher verirren, ist eher gering. Oder ist das etwa so gewollt?MICHAEL SCHLESINGER