Express der Glückseligkeit rast weiter

Mit der chinesischen Stürmerin Sun Wen ist bei der Wahl zu Asiens „Fußballer des Jahres“ erstmals eine Frau nominiert, was den gewachsenen Stellenwert des Frauenfußballs auf dem asiatischen Kontinent beweist

BERLIN taz ■ „Seit der Weltmeisterschaft im Frauenfußball im letzten Sommer in den USA hat sich bei uns im Land vieles geändert.“ Die das sagt, heißt Sun Wen, wird morgen 27 Jahre alt und schickt sich an, Asiens „Fußballer des Jahres“ zu werden. Der wird ebenfalls morgen in Beirut gekürt. Die Ehrung gibt es schon seit 1994, aber in diesem Jahr ist etwas Besonderes passiert. Erstmals wurde auch eine Frau nominiert.

Ein Zeichen, dass der Frauenfußball in Asien stärker im Blickpunkt steht als je zuvor. Vor allem dank der Auftritte der Chinesinnen. Sechs Asiatische Meisterschaften in Folge, dazu Olympisches Silber in Atlanta 1996 und WM-Silber im letzten Sommer vor über 90.000 Zuschauern in der Rose Bowl von Pasadena. Im Spiel waren die Chinesinnen dem Megateam aus den USA ebenbürtig. Im Elfmeterschießen zogen sie möglicherweise nur wegen eines Schiedsrichterfehlers den Kürzeren. Dass US-Keeperin Briana Scurry sich regelwidrig fast zwei Schritte vorwärts bewegte, erregte in China noch lange die Gemüter.

Der Frauenfußball in China ist durch die WM in der Öffentlichkeit enorm aufgewertet worden. Nicht nur das Team bekam jede Menge Gratifikationen und Vergünstigungen. Auch die weibliche nationale Liga boomte mit 8.000 Zuschauern im Schnitt pro Spiel. Die Partien von Vizemeister Shanghai werden im Lokalfernsehen live übertragen. Chinas größter TV-Sender, CTV, war neulich sogar mit einem Team in Portugal, um die Spiele um den „Algarve-Cup“ zu übertragen. CTVs „Soccer night“ ist ohne Frauenfußball nicht mehr denkbar, bestätigt Redakteur Li Ning.

Sun Wen avancierte bei der WM zum Weltstar. Sie wurde Torschützenkönigin und beste Spielerin des Turniers. Auf der Fifa-Gala im Februar in Brüssel gab es dafür den Goldenen Schuh und den Golden Ball. Adidas sponsert neben dem Team jetzt auch Sun Wen als Einzelspielerin, obwohl wirtschaftlich für den Markenartikler nicht viel zu holen ist. „Wenn du ein Trikot auf den Markt bringst, kannst du keine zwei Stunden später das Fake billiger kaufen“, erklärt ein adidas-Sprecher.

Sun Wen ist mittlerweile so populär, dass sie sogar auf der Straße in ihrer Heimatstadt Shanghai oft genug erkannt und angesprochen wird. Die Stürmerin moderiert im lokalen Kabelfernsehen mittlerweile eine Talkshow und drei Gameshows. „Intelligent Surfing“, „Happy Camp“ und „Happiness Express“ heißen sie. Für ihr Literaturstudium hat Sun Wen kaum noch Zeit, ebensowenig für Mußestunden, in denen sie gerne Gedichte schreibt. Zwar betont die junge Frau, die noch bei ihren Eltern in einer Fünfzimmerwohnung lebt, sie schreibe nur für sich privat. Doch eine Zeitung hat schon mal ein Gedicht gedruckt. Und ein Lied hat Sun Wen auch schon komponiert. Natürlich handelt es vom Fußball. Dass Sun Wen jetzt als erste Frau des Kontinents als „Fußballer des Jahres“ vorgeschlagen wurde, empfinden die Kolleginnen aus dem Nationalteam nur als gerecht.

Ob die WM-Erfolge aber reichen werden, sich gegen die männliche Konkurrenz durchzusetzen? Hidetoshi Nakata, der Japaner, der für 17 Millionen Dollar von Perugia zur AS Rom gewechselt ist, möchte nach seinen Titeln 1997 und 1998 nur allzugerne mit dem Titel 1999 das Triple schaffen. Der Koreaner Hwang Sun Hong hat Sun Wen entgegenzusetzen, dass er bei Cerezo Osaka Torschützenkönig der J-League mit 23 Treffern in 30 Spielen wurde. Japans Nasashi Nakayama schließlich schoss für Jubilo Iwata das Siegtor beim 2:1 über Esteghal aus dem Iran im Finale um die asiatische Klubmeisterschaft und wurde zum besten Spieler im asiatischen Supercup-Spiel gegen Pokalsieger Al Ittihad aus Saudi-Arabien gewählt. Bashar Abdullah hat mit Kuwait die Qualifikation für Sydney geschafft. Und auch ein Bundesligaspieler hofft in Beirut auf den Sieg: Ali Daei von Hertha BSC wurde nominiert, weil er dem asiatischen Fußball so hervorragende Publicity beschere.

RAINER HENNIES