Soundcheck

Heute: dodo mel. Oliver Doerell kam vor zehn Jahren nach Berlin und zog an eine Kreuzung der damals noch nicht so schröderkulturmittehaft mit Galerien und Agenturen ausstaffierten Auguststraße. In der Tradition von Berliner Bohemiens der 80er Jahre arbeitete er nicht nur in Kneipen, sondern ließ auch ab und an Loops auf Tapes aus den Getränkeregalen laufen, um über den Tresen hinweg zu singen. Doerell singt noch heute in Französisch und in Deutsch wie ein mit den Zähnen nach Substanzeinnahme malender Hungertuchmohikaner aus Brüssel, wo er aufgewachsen ist. Vor ein paar Jahren hat er sich von seiner Rock-Band getrennt und entwirft seitdem flächige, leicht dunstverhangene Sound-scapes. Das tut er nicht ohne Romantik und nicht ohne Bewusstsein. Weite, wie sie Doerell unter dem Namen dodo mel. mit dem Partner Bru musikalisch beschreibt, könnte eben auch immer das sein, was sich links und rechts von einer Autobahn ausbreitet.

In dieser Weite entfalten sich Tracks unter dem Titel „Nova“ oder „Lügen“ als Episoden, die das freundlich dem Hörer entgegenkommende eigene Brötlertum so mit sich bringt. Es gluckst, es vibraphont, es saxophont und bleibt dabei leicht. Dass die Welt gefährlich, aber doch schön ist, auch wenn sie nicht gut zu einem ist, daraus lässt sich eine Wissenschaft machen oder ein Gespräch am späten Abend, bei dem man die Gesprächspartner nicht mehr wiedererkennt.

Doerells Gesang ist für die ernsten, nicht so schönen Dinge zuständig. Manchmal klingt er wie aus einer versunkenen Zeit. Gesang ist für ihn etwas, das Silbe für Silbe Bedeutung und die damit verbundenen Gefahren so beachten muss „wie ein Lastkraftwagenfahrer die Maximalhöhe seines Fahrzeuges unter Brücken“. „Wer Musik macht“, sagt Doerell, „kann eine Welt beschreiben, noch bevor er sie entdeckt hat. Wer singt, kann es mit jemandem zu tun kriegen, der aus Rasierklingen besteht.“ Kristof Schreuf

21 Uhr, Hafenklang (im Vorprogramm bringen Martin und Martina ihr „Video mit Ton“ zur Aufführung)