Papst an der Klagemauer

Die Israelis sind mit dem Besuch des Papstes im Heiligen Land zufrieden, die Palästinenser hatten sich dagegen noch mehr Unterstützung versprochen

JERUSALEM taz ■ Der Besuch der letzten Station von Johannes Paul II. im Heiligen Land wurde erwartungsgemäß hoch politisch. Von „Ostjerusalem als Hauptstadt Palästinas“ sprach Mufti Ikrema Sabri und bat den Papst um Hilfe, die israelische Besatzung palästinensischen Landes zu beenden. Bereits im Vorfeld des Treffens auf dem Tempelberg, nahm der höchste palästinensische Muslim Bezug auf den Holocaust, nannte die Zahl der sechs Millionen jüdischen Opfer „übertrieben“ und beschuldigte Israel, „sich das Thema zu Nutze zu machen, um internationale Unterstützung zu erreichen“.

Unmittelbar im Anschluss an das Treffen mit dem Mufti besuchte der Papst die Klagemauer. Dem jüdischen Brauch entsprechend steckte er einen Zettel mit seinem Bittgesuch an Gott in die Mauerritzen. Darin bittet er um Vergebung für „das Verhalten all jener, die im Laufe der Geschichte diesen Deinen Kindern Leid zugefügt haben“, und bekennt sich zu „wirklicher Brüderlichkeit mit dem Volk des biblischen Bundes“. Begleitet wurde der Papst vom israelischen Minister für Diaspora-Angelegenheiten, Michael Melchior, der die Gelegenheit nicht ungenutzt ließ, um an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs zu erinnern. Die Juden „sehnten sich danach, an diesem heiligen Ort zu beten“, sagte der Minister, auch „als sie in Viehwagen nach Auschwitz“ transportiert wurden.

Die Reise des Papstes stand aus israelischer Sicht unter der Erwartung, ein umfassendes Schuldbekenntnis zur Mitverantwortung der Kirche am Holocaust zu hören. Obschon der Papst nicht explizit die Kirche als Institution erwähnte, sondern nur allgemein um Vergebung für das dem jüdischen Volk zugefügte Leid bat, zeigten sich die offiziellen Religionsvertreter und Politiker befriedigt über die Ansprachen des Papstes während seines Aufenthalts. Enttäuschung herrschte unterdessen auf palästinensischer Seite darüber, dass der Papst nicht deutlicher Stellung zum Rückkehrrecht der Flüchtlinge bezog. In Daheische folgten seinem Besuch Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Peinlich für alle Beteiligten verlief auch eine Veranstaltung, die im Zeichen des friedlichen Dialogs zwischen den drei monotheistischen Religionen stand. Der muslimische Vertreter Scheich Taissir Tamimi verließ die Veranstaltung wütend, nachdem er in seiner Ansprache vor dem Papst und dem jüdischen Oberrabbiner Israel des Kindesmords anklagte. SUSANNE KNAUL