Silberne Äpfel mit Düsenantrieb

Mit Notebooks unterm Arm und Springerstiefeln an den Füßen: Die Londoner Band Laika tritt im Knaack-Club auf

Juri Gagarin war zwar der erste Mensch im Weltall, doch jemand anderes kam ihm trotzdem noch zuvor: Eine russische Hündin namens Laika, die bekanntlich als erstes Säugetier in einer Raumkapsel die Erde umkreiste. Eine Band, die sich nach ihr benennt, beansprucht also einen ziemlich großen Kredit. Und wenn sie ihr erstes Album dann noch nach einer der maßgeblichen Kompositionen elektronischer Musik benennt, nämlich Morton Subotnicks Silver Apples Of The Moon, nimmt sie ihren Mund schon sehr voll.

Dabei ist aber zu bedenken, dass beide Verweise zwar ein Seiner-Zeit-Voraus-Sein implizieren, aber gleichzeitig, von heute aus betrachtet, einen starken Vergangenheitsbezug haben. Aus dieser Spannung entsteht die Musik von Laika.

Die Songs der Londonder Band lassen sich nicht recht packen, obwohl sie selbst recht zupackend sind. Sie winden sich wie Schlangen durchs Unterholz, vorwärts getrieben von einer Percussions-Armada, deren einzelne Elemente sich nicht entscheiden können, wer jetzt den Takt angibt. Darüber liegt die ruhige, scheinbar im Hintergrund lauernde Stimme der Sängerin. Über die Jahre haben sie mit erstaunlicher Beständigkeit einen ganz eigenen Sound ausgebildet, der exotische Stimmungen genauso beinhaltet wie spacig-trippige Räume.

Die Erforschung der Popkultur der Fünfzigerjahre hat erbracht, dass sich in den westlichen Industriestaaten neben der Formierung der Lebensbereiche Arbeit und Freizeit eine starke Sehnsucht nach Exotik und den Aufbruch ins Weltall ausgebildet hat. Beide Sehnsüchte waren komplementär und Bilder und Klänge des Exotischen funktionierten auf einer Ebene mit den Fantasien über ein Leben im All. Die damals populäre Musik von Les Baxter oder Martin Denny, in denen Sound-Klischees des Südpazifik verarbeitet wurden, ergänzte sich mit dem aufkommenden Science-Fiction-Genre im Film.

In beiden popkulturellen Bereichen schwang die Gewissheit einer bessseren Zukunft mit. Die Gleichzeitigkeit vom Leben auf der Südseeinsel und dem auf dem Mond – alles erträumt in einem Hoover-gesaugten Einfamilienhaus in der Vorstadt.

Laika spielen mit den aus heutiger Sicht klischeehaften Bildern von Exotik und Weltraum, All und Dschungel, Düsenantrieb und Tigerfauchen – alles das passiert bei ihnen gleichzeitig. Natürlich untermauert mit einem sehr aktuellen Verständnis für den Groove, der ihre Songs für Clubs genauso wie für große Bühnen attraktiv macht.

Im Kern besteht Laika aus Margaret Fiedler und Guy Fixsen. Beide trennten sich 1993 von der Band Moonshake, um fortan eine gemeinsame, eigene Sache zu machen. Aus zwei Apple-Notebooks zaubern sie die Grundarrangements ihrer Stücke, um diese danach noch sparsam mit Stimmen und „richtigen“ Instrumenten zu ergänzen.

Mitte der Neunziger hatte dieser Kreuzverkehr zwischen digitalen und analogen Produktionsweisen einen zukunftsträchtigen Charakter. Denn es war die Zeit, in der sich viele Musiker aus beiden Bereichen den Vorzügen des jeweils anderen zuzuwenden begannen. Laika verkörperten an jenem Zeitpunkt also ein Modell, dem dieser Crossover schon ein Wesenselement war.

In der Sturm-und-Drang-Phase der Band ließen sich Fiedler und Fixsen auch gerne mit ihren Laptops unterm Arm und Springerstiefeln an den Füßen ablichten. Auch das ist eine Spannung, die Laika ausmacht.

MARTIN PESCH

Heute abend ab 22 Uhr, Knaack-Club, Greifswalder Str. 221, Prenzlauer Berg