Sie hatten es doch nur gut gemeint

Viele Grüne sind fassungslos über die Staatsknete für AKWs. Die Beschuldigten sagen, sie hatten in Wahrheit viel erreicht, es verstehe nur keiner

aus Berlin TINA STADLMAYER

„Das ist doch eine perverse Geschichte“, schimpft der grüne Bundestagsabgoerdnete Winfried Hermann: „Da knallen bei Siemens in China die Sektkorken, weil die Bundesregierung Hermes-Bürgschaften für ein neues AKW gibt – und wir wissen von nichts.“ Der stellvertretende Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag ist sauer. „300 Millionen für Siemens-Atomtechnik – damit ist die Glaubwürdigkeit rot-grüner Regierungspolitik stark beschädigt“, sagt er.

Zeitgleich mit der taz erfuhren die grünen Umweltpolitiker am Montag, dass der interministerielle Ausschuss der Bundesregierung, in dem Vertreter des Wirtschafts-, des Finanz- und des Außenministeriums sitzen, eine Hermes-Bürgschaft für ein neues AKW in China erteilt hat. Winfried Hermann schimpft, Außenminister Joschka Fischer hätte dem nicht zustimmen dürfen. Selbst wenn es sich um eine Paketlösung gehandelt habe, bei der die Grünen viel erreicht hätten: „Das ist eine stinkende, giftige, strahlende Kröte – die hätte er nicht schlucken dürfen.“ Rot-Grün habe sich „zum Handlanger der Großindustrie gemacht“.

Hermann wirft dem grünen Außenminister vor, dass er die betroffenen Umweltpolitiker übergangen hat: „In solch eine gravierende Entscheidung hätte er den Arbeitskreis Umweltpolitik vorher einbinden müssen.“ Drei Tage vor dem Parteitag der Grünen, auf dem Beschlüsse zum Atomausstieg gefasst werden sollen, sei eine solche Entscheidung „äußerst ärgerlich“. Das sei „Wasser auf die Mühlen derer, die sagen, wir haben uns von der Atomindustrie schon viel zu lange vorführen lassen“. Es werde schwer werden, zu vermitteln , „dass sich die Grünen bei den Verhandlungen in vielen Punkten durchgesetzt haben und eine Reihe problematischer Bürgschaften verhindern konnten“.

Auch die entwicklungspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion Angelika Köster-Loßack befürchtet Ärger auf dem Parteitag: „Wie sollen wir erklären, dass wir aus der Atomenergie aussteigen wollen und gleichzeitig den Neubau eines AKWs finanzieren?“

Köster-Loßack hofft, „dass uns auf der Delegiertenkonferenez keine großen Brocken um die Ohren fliegen“. Sie sagt voraus, dass Joschka Fischer und Umweltminister Jürgen Trittin den Delegierten zu den Bürgschaften „viele Fragen beantworten müssen“. Schließlich sei immer noch unklar, welche umstrittenen Projekte als Gegenleistung für die Genehmigung der AKW-Bürgschaft definitiv gestrichen werden. Auch Köster-Loßack, die seit Wochen für die Fraktion damit beschäftigt ist, neue Richtlinien für Hermes-Bürgschaften auszuarbeiten, erfuhr von der Genehmigung erst am Montag. „Das darf nie wieder vorkommen“, schimpft sie. „In Zukunft muss es bei solchen Entscheidungen mehr Tranparenz geben“.

Im Grunde sei sie mit allen beschlossenen Hermes-Bürgschaften einverstanden, nur nicht mit dem AKW-Neubau in China. Bei den beiden genehmigten Bürgschaften für AKW-Nachrüstungen in Litauen und Argentinien gehe es um Reparaturen und die Lagerung radioaktiver Abfälle. Die Kredite dienten „dem Schutz der Bevölkerung“ – da könne man nichts gegen haben. Das sieht Hartwig Berger, Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus, anders. Die Genehmigung für die Nachrüstung des AKWs in Litauen sei „ein besonderer Skandal“. Die Bundesregierung verlängere damit die „Laufzeit eines Reaktors vom Typ Tschernobyl“. Berger kündigte an, dass die Atomkraftgegner auf dem Parteitag jetzt „umso kompromissloser für eine harte Linie kämpfen“ werden.

Die beiden Fraktionsvorsitzenden Kerstin Müller und Rezzo Schlauch verteidigten die Entscheidung am Dienstag. Sie sei „ein Teilerfolg“, denn insgesamt sei die Unterstützung von elf Atomprojekten verhindert worden. Die Zusage für das AKW in China sei „aus grüner Sicht unbefriedigend“. Gegenüber der taz sagte Kerstin Müller: „Im Rahmen einer Paketlösung mußten wir da nachgeben“.

Die umweltpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion Michaele Hustedt verteidigte die Entscheidungen ebenfalls. Insgesamt seien sie „ein Signal an alle Länder, die neue Projekte planen, dass wir keine AKWs mehr unterstützen.“ Der Parteitag dürfe nun nicht nach dem Motto urteilen: „Die da oben machen Kompromisse und wir waschen unsere Hände in Unschuld.“ Er müsse die grüne Regierungpolitik realistisch beurteilen: „Wenn sie sagen, dazu können wir nicht stehen, wir beenden die rot-grüne Koalition“, dann wäre das eine „ehrliche Enscheidung“. Dazu werde es aber wohl nicht kommen.