„Die Entscheidung ist falsch“

Claudia Roth, 44, die menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen, fordert eine Reform der Vergabekriterien für Hermes-Bürgschaften. Ziel: Mehr Transparenz

taz: Was haben Sie gedacht, als Sie heute in der taz von der Genehmigung der Hermes-Bürgschaften für AKW in China gelesen haben?

Claudia Roth: Dass es unmöglich ist, dass die parlamentarische Ebene die letzte ist, die davon erfährt, und nicht eingebunden war. Selbst Leute, die mit dem Thema näher befasst sind, wurden überrumpelt. Das ist nicht professionell.

Was ist die Konsequenz?

Wir brauchen neue Kriterien und mehr Transparenz. Ökologische Fragen und die Frage der Menschenrechte gehören in die Beurteilung für eine Hermes-Bürgschaft. Aber die Hermes-Reform ist noch nicht entwickelt. Ich hätte mir gewünscht, dass es vor der Entscheidung ausgearbeitetete Kriterien gegeben hätte.

Wurde die Entscheidung bewusst so schnell durchgezogen?

Ich weiß nicht, wem das nützen soll, dass so was in einer ganz großen Geheimhaltung entschieden wird. Wenn es rauskommt, ist das Erwachen umso schlimmer. Dann wird auch nicht mehr darüber geredet, was ist sinnvoll an der Unterstützung für Litauen oder Argentinien, bei denen es um Strahlenschutz geht.

Wie finden Sie die Entscheidung?

Ich halte sie für schädlich und falsch. Es ist nicht nachvollziehbar, wenn man im Herbst sagt, die wirtschaftliche Öffnung gegenüber China muss einhergehen mit Demokratisierung und Stabilisierung von rechtsstaatlichen Strukturen – und als erstes Signal unterstützen wir den Bau eines Atomkraftwerks.

Wie passt das denn zur Ausstiegspolitik von Rot-Grün in Deutschland?

Gar nicht. Man kann hier nicht mühevoll und mit vielen guten Argumenten sagen, wir wollen aus dieser Technologie aussteigen, und in China eines bauen helfen.

Für den Parteitag am Wochenende in Karlsruhe ist das nicht gerade konstruktiv.

Natürlich nicht. Ich kann diese Entscheidung nicht vermitteln.

Aber der Kanzler will doch nur Arbeitsplätze sichern.

Wenn wir als rot-grüne Regierung sagen, eines unserer Ziele ist der Ausstieg aus der Atomenergie, dann hat das auch was mit dem Grundrecht auf körperliche Unversehrheit zu tun. Es unverantwortlich, mit dem Argument der Arbeitsplätze in einem anderen Land mit dem Bau eines gesundheitsgefährdenden AKWs zu beginnen.

Die Hermes-Diskussion erinnert stark an den Streit um den Testpanzer für die Türkei im vergangenen Herbst.

Ja. Ich glaube, dass in einer Phase, in der der Aussteig aus der Atomenergie wirklich schwierig ist, eine solche Entscheidung eine große politische Dimension hat. INTERVIEW: TINA STADLMAYER