schwarze taz
: Krimis nach der Soziopathenmode

ZURÜCK ZU ECHTEN GANGSTERN

Das letzte Jahrzehnt war kriminalliterarisch betrachtet irgendwie krank. Inzwischen sind derart viele Soziopathen-Schinken erschienen, dass jedes neue Produkt dieser Mode nur noch ermüdet. Glücklicherweise werden endlich wieder Romane über echte Gangster veröffentlicht.

Der wahre Gangster ist bekanntlich entweder ein sozialer Charakter, der in eine bestimmte Subkultur eingebunden ist, oder der Einzelgänger, der sich wegen enttäuschter Hoffnungen entschlossen hat, künftig sein Glück jenseits der Legalität zu suchen. Beide Typen finden sich in den Büchern von Garry Disher, Russell James und Fred Willard.

Der Australier Garry Disher ist der traditionellste unter den dreien. Sein Roman „Gier“ ist der erste Teil seiner Serie um den professionellen Einbrecher Wyatt, einen einsamen Kämpfer, der zu seinem Leidwesen auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Er ist durchaus Moralist, denn er lehnt es ab, Menschen zu töten, es sei denn, es geht gar nicht anders. Insofern ist diese sympathisch altmodische Figur eine australischer Kopie des berühmten Gangsters Parker, den Richard Stark alias Donald Westlake Ende der 60er-Jahre erfand und der, verkörpert von Lee Marvin, in „Point Blank“ seinen großen Filmauftritt hatte.

Der Engländer Russell James hat einen realistischeren Ansatz. „Meine Bücher spielen unter den armen Schluckern im Südosten Londons. Ich schreibe über Punks und Außenseiter, über harte Burschen und miese Geschäftemacher.“ Er lehnt jede Mystifizierung seiner Figuren ab und fordert den harten, kompromisslosen Realismus.

Drei Romane von Russell James sind auf Deutsch erschienen. In „Underground“ geht es um einen Mann auf der Flucht, der sich im Einwanderermilieu der Londoner Vorstädte versteckt.

In „Payback“ will der Gangster Floyd Carter den Tod seines Bruders rächen und durchkämmt auf der Suche nach den Mördern den kriminellen Untergrund von London. „Schlachtmusik“ wiederum erzählt von dem Auftragskiller Tim Hawk, der noch so neu im Geschäft ist, dass ihn die Faszination für die Frau seines Bosses gefährlich ins Schleudern bringt. Russell James hält durchaus Distanz zu seinen Figuren. Sein Prosa ist so kühl, dass man sich beim Lesen mitunter etwas mehr Mitgefühl wünschen würde.

Das gibt's in Fred Willards grotesken Debüt im Überfluß. „Spiel mit bösen Jungs“ ist erfrischend anders. Zwar ist der Ich-Erzähler noch ein relativ normaler Zeitgenosse, nämlich ein untergetauchter ehemaliger Drogenschmuggler namens Sam Fuller.

Aber die Gang, die er zusammentrommelt, um den Mord an einem Freund zu rächen, ist sehr ungewöhnlich: Sie besteht aus einem Leichenbestatter, einem Rollstuhlfahrer und einem Dichter, dem die Hälfte des Gesichts fehlt. Gemeinsam mit einem drogensüchtigen Psychopathen wollen sie die Mafia aufs Kreuz legen.

Es ist das allerniedrigste, kaputteste Verlierermilieu, das Willard beschreibt, nämlich die Gegend um die Ponce, eine Asozialen-Straße mitten in Atlanta. „Down on Ponce“ (Originaltitel) ist ein Stück rohe, aber zutiefst anrührende Prosa, beseelt von einem überkandideltem Humor, eine gelungene stilistische Gratwanderung und eine Erweiterung des Gangster-Gernes in Richtung burlesker Schelmenroman.

ROBERT BRACK

Garry Disher: „Gier“. Aus dem Englischen von Gabriele Bärtels. Maas Verlag, 226 Seiten, 19,80 DM Russell James: „Underground“. Aus dem Englischen von Christian Jentzsch. Dumont Noir, 320 Seiten, 16,90 DM; „Payback“. Aus dem Englischen von Christian Jentzsch. Dumot Noir, 377 Seiten, 16,90 DM; „Schlachtmusik“. Aus dem Englischen von G. Falkner und N. Matocza, Dumont Noir, 392 Seiten, 19,90 DM Fred Willard: „Spiel mit bösen Jungs“. Aus dem Amerikanischen von Brigitte und Niklaus Helbing. rororo, 288 Seiten, 14,90 DM