Italienische Agenten und Neofaschisten verurteilt

Mitglieder der Nato-Geheimtruppe Gladio wollten einen Granatanschlag in Mailand im Jahr 1973 der Linken in die Schuhe schieben

ROM taz ■ Lebenslänglich für drei Neofaschisten und einen Geheimdienstoberst, 15 Jahre Haft für den damaligen Chef der Gegenspionage: Am Samstag verurteilte ein Mailänder Gericht die Hintermänner eines Anschlags, der vor mehr als einem Vierteljahrhundert die italienische Öffentlichkeit erschütterte. Vier Menschen starben am 17. Mai 1973, als der vorgebliche Anarchist Gianfranco Bertoli vor dem Mailänder Polizeipräsidium eine Handgranate in die Menge warf.

Bertoli, noch am Tatort gefasst, behauptete, als Einzeltäter gehandelt zu haben. Doch im jetzt abgeschlossenen Prozess kam eine andere Wahrheit ans Licht: Bertoli war bloß ein Bauer auf dem Schachbrett rechter Putschisten. Die Neofaschisten der Terrorgruppe Ordine Nuovo und ihre Freunde in den Geheimdiensten zielten darauf, mit von vorgeblich von Linken begangenen Terrorakten den Boden für ein autoritäres Regime zu schaffen. 1969 scheiterte diese Strategie, denn die Regierung weigerte sich, den Ausnahmezustand auszurufen. Ordine Nuovo reagierte mit dem Blutbad vom Mai 1973 und zahlreichen weiteren Terrorakten. Als direkte Auftraggeber Bertolis bekamen jetzt drei Ordine-Nuovo-Aktivisten lebenslang.

Besondere Brisanz erhält der Richterspruch durch die Verurteilung zweier Geheimdienstoffiziere. Oberst Amos Spiazzi, der als Mittäter ebenfalls lebenslang erhielt, war in der streng geheimen Nato-Struktur „Gladio“ aktiv, deren Existenz erst 1990 bekannt wurde. Offizieller Auftrag der „Gladiatoren“ war es, im Falle einer sowjetischen Invasion Widerstand zu leisten; inoffiziell wirkte Gladio jedoch im Kampf gegen Linke auf der eigenen Seite. Übrigens tauchte auch der Name Bertoli 1990 auf einer Liste der Gladio-Kämpen auf. Den Tatbestand erklärte der Geheimdienst mit „zufälliger Namensgleichheit“. Mit der Verurteilung von Oberst Spiazzi ist erstmals aktenkundig, dass Gladio direkt in die rechtsextreme Terrorstrategie verwickelt war.

Aktenkundig ist aber auch, dass Spiazzi kein isolierter Irrläufer war. General Gianadelio Maletti erhielt 15 Jahre Haft, weil er als Chef der Gegenspionage von Beginn an die Hintergründe der Tat kannte und vertuschte.

MICHAEL BRAUN