Entenalarm an der Küste

■ An der deutschen und niederländischen Küste werden ungewöhnlich viele Eiderenten tot angespült. Vermutlich sind Parasiten schuld. Oder gar das Umweltgift TBT?

Wenn, wie jetzt, Orkanböen über die Küste fegen, dann ist es auch Manuela Gubernator zum Heulen. Die Sprecherin der niedersächsischen Muschelfischer klagt: „Jede dritte Muschel stirbt durch Sturmschäden.“ Zu allem Unglück, so Gubernator, knabbern jetzt auch noch die Eiderenten an den verbliebenen Schalentieren. Die Frau braucht keine Angst zu haben. Auch die Eiderenten sterben.

Ende Februar wurde in den Niederlanden Eiderentenalarm ausgelöst. „Wir haben von November bis jetzt mehrere tausend tote Enten gefunden“, sagt Liane Rombalds von der niederländischen Umweltorganisation „Waddenvereiniging“. Auf deren Initiative hin befasste sich bereits das niederländische Parlament mit den toten Enten und begann mit umfangreichen Untersuchungen. Danach meldete auf deutscher Seite Reinhard Schopf, Vogelwart auf der Vogelinsel Memmert, zwischen Borkum und Juist, Totfunde. Allein im Spülsaum seines fünf Kilometer kurzen Inselstrandes fand er bis heute über 350 tote Eiderenten. Genaues erfährt man von ihm nicht. Er hat laut Dienstanweisung Redeverbot. Noch vor einem Monat hatte das Niedersächsische Landesamt für Ökologie nennenswerte Entenfunde abgestritten.

„Wir kontrollieren alle 14 Tage den Flutsaum einiger Strände nach ölverseuchten Tieren. Im Rahmen dieses Öl-Monitorings haben wir entlang der Nordseeküste – ausgenommen Memmert – bis jetzt gut 300 tote Enten gefunden“, sagt Martin Schulze-Diekhoff vom niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz. „Dies ist eine deutliche Zunahme der Totfunde, normalerweise finden wir um diese Jahreszeit etwa hundert tote Eiderenten“, so Schulze-Diekhoff weiter. Umweltexperten in den Behörden gehen davon aus, dass nur etwa zehn Prozent aller toten Enten überhaupt gefunden werden. „Bei einer ungefähren Population von 70.000 bis 80.000 Eiderenten an der deutschen Küste, glaube ich allerdings nicht, dass der Bestand gefährdet ist“, meint Vogelwart Schopf.

Die ersten Untersuchungen von toten Enten in den Niederlanden ergaben, dass die Tiere an inneren Vergiftungen eingegangen sind. Diese werden hervorgerufen durch einen Parasiten, Profilicollis botulus, der mit seinen Greifhäkchen die Darm- und Magenwände zerstört. „Wir können inzwischen die Untersuchungen unserer niederländischen Kollegen bestätigen“, sagt auch Lübbert Lübbers, Leiter des Veterinäramts im Landkreis Aurich. Niederländer wie deutsche Behörden vermuten, dass die Eiderenten statt Mies- und Herzmuscheln auf Krabben als Nahrung umgestiegen sind. Über diese Nahrung könnten sie sich mit dem Parasiten infiziert haben.

„Dass Parasiten ihren Gastwirt zerstören ist ungewöhnlich. Ausserdem sind Wildtiere in der Regel von Parasiten befallen“, erklärt dagegen eine Expertin der Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven. „Wir glauben auch nicht, dass die Enten allein durch die Parasiten verenden“, ist auch Liane Rombalds von der niederländischen Waddenvereiniging überzeugt. Sie hat dem niederländischen Ministerium eine Liste von möglichen Ursachen des Eiderentensterbens vorlegt, die zurzeit von den Behörden abgearbeitete wird. „Wir müssen klären, warum die Tiere auf eine andere Nahrung ausweichen und auch sonst ein desorientiertes Verhalten zeigen“, so Rombalds. Als eine Möglichkeit wird derzeit in den Niederlanden untersucht, ob die Tiere unter einer Schwächung ihres Immunsystems leiden. Als Ursache hierfür käme nach Aussagen der Waddenvereiniging auch die hohe Kon-zentration von Tributylzinn (TBT) in den Bereichen der Flussmündungen an der Küste in Betracht. Nach Aussagen des Auricher Veterinäramtes wird diese Thes in Deutschland derzeit nicht untersucht. Thomas Schumacher