„Wir brauchen einen Kosovo-Beauftragten“

■ Appell der Bundesausländerbeauftragten: Rückkehr ins Kosovo nicht überstürzen / Lage nach wie vor angespannt / Ganze Regionen drohen instabil zu werden

„Wir brauchen dringend einen Kosovo-Beauftragten für die Bundesrepublik“, sagte die Bundes-Ausländerbeauftragte Marieluise Beck jetzt im Anschluss einer Reise ins Kosovo. „Die Lage im Kosovo ist, verglichen mit Bosnien damals, dramatisch verschärft.“ Einzelne Ausländerämter könnten ohne kompetente Beratung über die jeweils aktuelle Lage nicht über bevorstehende Rückehrschicksale entscheiden. Dazu sei die derzeitige Lage im Land viel zu komplex – und zu gefährlich.

Mit ihrer Forderung bezieht sich Beck insbesondere auf Gespräche mit VertreterInnen der UN-Flüchtlingshilfsorganisation UNHCR im Kosovo. Danach sind – wie damals in Bosnien – insbesondere ethnisch gemischte Paare gefährdet. Ebenso müssten serbische Flüchtlinge aus dem Kosovo sowie die Gruppe der Roma und Aschkali bei einer Rücckehr um ihr Leben fürchten. Hinzu komme aber die wachsende Unsicherheit ganzer Regionen.

Dabei berichten die Medien derzeit insbesondere über Mitrovica. Als unklar gilt BeobachterInnen unterdessen auch, wie sich die Situation im Grenzgebiet zu Süd-Serbien entwickelt. Gegenüber Beck äußerten sich KennerInnen der Lage besorgt über systematische Destabilisierungsversuche und wachsende Repression innerhalb Serbiens – insbesondere gegen Albaner in Südserbien. Dies habe schon jetzt zur Folge, dass immer neue Flüchtlinge in das Kosovo drängten. Dies, sowie eine erwartete Rückkehrwelle von Flüchtlingen aus ganz Europa noch in diesem Jahr werde die Lage im Kosovo aufs Äußerste belasten. „Hier drohen die Rückkehrer zwischen die Räder einer unglückseligen internationalen Interessenskonstellation zu geraten“, mahnt Beck. Schon jetzt sei der Druck, unter dem alle Hilfs- und Sicherheitsorganisationen arbeiteten, enorm.

Vor zwei Tagen erst kehrte die Grüne Bremer Bundestagsabgeordnete von einem Besuch aus Pristina zurück. Für den Hinflug war sie, ganz Praktikerin, gemeinsam mit 120 Kosovo-RückkehrerInnen aus fünf Bundesländern in einen Sammeltransport ab Hannover gestiegen. „Ich war überrascht, wie gerne die meisten in die Heimat zurückkehren“, sagt sie. In der Gruppe seien dabei auch – Überraschung Nummer zwei – einige Kosovaren gewesen, die längere Zeit in Deutschland gelebt und gearbeitet hatten – und jetzt als Handwerker zurückkehrten. Als Dachdecker oder Tischler beispielsweise. Ein Wagnis, bei dem die meisten sich auf die Hilfe von Familienmitgliedern stützen – sowohl für den Transport der Handwerkszeuge als auch für die Unterkunft.

„Alle, mit denen ich gesprochen habe, wollten bei Verwandten unterkommen“, sagt Beck. Eine andere Möglichkeit gebe es kaum. „Das Ausmaß der Zerstörung ist ungeheuerlich“, berichtet die Politikerin. Vor allem im Hinterland sei bislang so gut wie keine Aufbauarbeit geleistet worden. Von medizinischer Versorgung keine Spur, selbst die Wasserversorgung funktioniere nach wie vor nicht. Davon überzeugte sie sich beim Besuch einer Frau, die schon vor Monaten aus Deutschland zurückgereist war.

Die Rückkehrbedingungen sind dabei von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Bremen steht offiziellen Auskünften zufolge nicht ganz schlecht da. Hier bekommen erwachsene Rückkehrer 1.500 Mark auf die Hand, Kinder 250. Maximal gibt es 4.000 Mark pro Familie. Die Bundesrichtlinie dagegen liegt niedriger – bei 450 Mark pro Haushaltsvorstand und 250 Mark pro Kind. „Das ist nicht viel, wenn man ein Haus neu aufbauen muss, oder wenigstens ein Zimmer beheizbar machen will“, so Beck. Umso mehr lobt sie das schwäbische Tuttlingen, das bundesweit heraussticht. Familien, die bis Ende Februar zurückgereist waren, konnten hier 12.000 Mark bekommen. „Die Schwaben können rechnen“, sagt Beck. Solche Summen legten Grundsteine, mit denen Familien kalkulieren könnten. ede