In flauschigen Leeren

Abstrakte Sounds, unlösbare chemische Verbindungen und Dub in kleinen Kästchen: Die amerikanischen Postrock-Bands LaBradford und Pan American spielen im Knaack

Schaut man sich Fotos der drei Musiker von LaBradford an, erkennt man leicht, dass diese mitteljungen Männer nichts mit Rock ’n’ Roll, Techno, Drogen (auch kein Bier!) und verfeinertem Lifestyle zu tun haben und damit auch nichts zu tun haben wollen. Also eher unscheinbar und ernst, eher Maschinenbaustudenten als Neue-Medien-Arbeiter, ein bisschen unzugänglich, aber sympathisch. Das mag an ihrer Homebase in den Staaten liegen, an dem Städtchen Richmond in Virginia, das mag so sein in einer Welt, die jenseits von MTV und Lollapalooza gelegen ist (eine gar nicht mal so kleine Welt übrigens).

Das passt aber wiederum auch wunderbar zu der Musik, die LaBradford machen und die man gemeinhin Postrock nennt. Denn auch Postrock wirkt zuerst verschlossen und unzugänglich, geradezu blass manchmal: keine Geschichten von Glamour in der Großstadt und Elend in den Suburbs, keine Entwicklungsgeschichten, keine Liebe, kein Leid.

Nur Sounds und Flächen, in die man dann später aber eine ganze Menge hineinprojizieren kann. Die Verbindungen zwischen den Charakteren der Postrock-Musiker und ihren Sounds sind jedenfalls ziemlich fest, und selbst kleine Hypes oder Etiketten wie „Die Zukunft von Rock“ prallen an Musik und Musikern ohne nennenswerte Änderungen des Aggregatzustands ab.

So auch bei LaBradford. Seit 1992 gibt es die Band, 1993 erschien ihr Debüt „Prazision“, was beides nicht mehr als ein paar Eingeweihte interessierte. Die Jahre darauf gerieten sie im Zuge der Euphorie um Tortoise und einen veritablen Hype um Postrock ins Blickfeld einer größeren Indie-Öffentlichkeit: Nicht nur, weil ihre Alben immer weitläufiger, flächiger und gesangsfreier wurden, auch weil sie als gute Freunde und Vertraute der Mitglieder von Tortoise galten. Mittlerweile ist wieder Ruhe eingekehrt um Postrock, Bands wie LaBradford werkeln aber unbeirrt (und vielleicht auch wieder unbeschwerter) weiter.

Letztes Jahr erschien ihr fünfter Longplayer „E Luxo So“. Auf diesem schwangen sich LaBradford mit ihren Rockabstraktionen auf neueste Höhen und reduzierten Töne und Sounds in eine ziemlich flauschige Leere hinein – ein Wörtchen wie Postrock mit LaBradford in Zusammenhang zu bringen, ist da mittlerweile ziemlich unpassend, eine Beleidigung gar. Um die „Thematisierung von Stille“ gehe es ihnen, hat LaBradford-Gitarrist Mark Nelson der Spex in einem Gespräch gesagt, sich dann aber, wie man lesen konnte, weiteren Eigeninterpretationen völlig entzogen.

LaBradford lassen lieber sprechen, spekulieren und deuten, als selber die Wege der Erleuchtung zu weisen. Das passt auch gut, mit den Sounds von LaBradford kann ein jeder ausgiebigst die ihm liebsten Assoziationen verbinden: Manche meinen, LaBradford wären meditativ, gar esoterisch, andere finden ihre Sounds gefühlig, wieder andere zu abstrakt und akademisch, von wegen Stille hörbar machen, von wegen John Cage, von wegen die Musik spielt erst da, wo man sie nicht mehr hören kann. Mal abwarten, wie weit LaBradford ihre Abstraktionen noch treiben, mal hören, wie das in einem Laden wie dem Knaack funktioniert (schön still sein da rechts an der Theke!).

Dass Mark Nelson mit Pan American aber ein Seitenprojekt hat und dort auf dem zweiten Album „360 business/360 bypass“ (grandioser Titel!) den Dub in kleinen Kästchen springen lässt und auch die beiden Low-Musiker, das Ehepaar Sparhawk und Parker, mittun, könnte darauf hinweisen, dass es bei LaBradford kein Weiter mehr gibt.

Die Musik von Pan American klingt, als wolle sich Nelson mit ein paar einfachen und tiefen Bassläufen und eingesprengselten Trompeten wieder Strukturen geben und aus der LaBradford-Unendlichkeit zurückkehren. Was schön ist und irgendwie auch beruhigt.

GERRIT BARTELS

LaBradford und Pan American: Heute ab 22 Uhr, Knaack-Club, Greifswalder Straße 221, Prenzlauer Berg