Trainieren für den beruflichen Hürdenlauf

■ Zum Oldenburger „Kontaktstudium“ für Frauen in Führungspositionen gehören auch Entlastungsstrategien: Putzfrauen oder Kindermädchen einstellen. Statt „Mutter“ Chefin sein und den Tränentieren im Betrieb einfach weniger Zeit schenken

Angela Merkel, Heide Simonis, Birgit Breuel oder Britta Steilmann würden sich beim neuen „Kontaktstudium für weibliche Führungskräfte“ von der Uni Oldenburg wohl nicht anmelden. „Frauen, die schon ganz oben sitzen, gehen in teure Hotels mit richtig teuren Leuten“, sagt Christiane Brokmann-Nooren. Sie leitet den „Frauenschwerpunkt“ im Zentrum für wissenschaftliche Weiterbildung an der Uni. Das bietet jetzt zum zweiten Mal eine Weiterbildungsreihe für Chefinnen (Kostenpunkt: 4.700 Mark) an. Zielgruppe: Frauen, die sich beruflich hochgearbeitet haben, auf Leitungspositionen sitzen – und ihr Management verfeinern wollen.

Zur Verfeinerung gehören dabei Merksätze wie „60/30/10.“ Eine Art Eselsbrücke, die allzu aufwendigen Führungsstil eindämmen kann. Ganz simpel: „Zehn, das steht für die zehn Prozent MitarbeiterInnen, die supergut sind. Dreißig für die Guten – und 60 für die Übrigen.“ KandidatInnen also, denen Chefs Aufmerksamkeit widmen müssen. Entscheidend ist nur: wie viel? Denn: Zeit kostet Geld – oder Nerven. An der Zeitschraube zu drehen setzt also wirkungsvolles Potential frei. Da werde dann diskutiert, dass es effektiver sei, die guten 30 Prozent zu fördern, statt die 60 Prozent zu ermuntern, berichten die Planerinnen. Und dass Frauen sich quasi abtrainieren müssten, immer für die Schwächeren dasein zu wollen.

Natürlich ist eins von zehn Studien-Wochenenden dem Zeit- und Stressmanagement gewidmet. Ein weiteres dem weiblichen Füh-rungsstil. Andere der Rhetorik, dem gesunden Arbeiten und der Präsentation. Die Referentinnen sind zumeist freiberufliche Trainerinnen oder Lehrbeauftragte an der Universität. „Es geht den Teilnehmerinnen um persönliches Wachstum im Beruf“, wissen die Planerinnen. Und: „So ein Angebot gibt es im Norden noch nicht.“ Frauen von Osnabrück bis Lübeck interessieren sich bereits für die 16-monatige Seminarreihe, die im kommenden Mai startet. In Bassum bei Bremen übrigens, wo die Wochenenden als Blockseminar stattfinden; außerdem soll es fünf weitere Supervisionstermine geben.

Auf die neue Gruppe sind auch die Planerinnen gespannt. „Das letzte Mal waren die Frauen sehr unterschiedlich.“ Frauen mit und ohne Kinder, selbstständige Unternehmerinnen, Angestellte in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst. „Auch die Mischung machts – der Austausch“, sagen die Planerinnen. Da lerne die Abteilungsleiterin im öffentlichen Dienst von der bei der Telekom. Was? Christiane Brokmann-Nooren lacht. „Dass überall nur mit Wasser gekocht wird zum Beispiel.“ Die Beamtin sagt: „Irgendwie denken die meisten Menschen doch, die Leute in der Wirtschaft könnten alles, und dass es vor allem im öffentlichen Dienst klemmt.“ Aber Hürden und Barrieren stünden überall. Im „Kontaktstudium“ gehe es quasi darum, die weibliche Sprungtechnik zu verbessern: Wie nehmen Frauen Hürden am Besten? Wie wird das schwächere Sprungbein gestärkt – und nicht zuletzt – wie stolpere ich nicht über die eigenen Füße?

Zur Klärung solcher Fragen hilft ein weiterer Merksatz, der – obwohl verwirrend auf den ersten Blick – bei manchen durchzieht wie eine gute Prise Menthol: „Alles könnte auch ganz anders sein“. Beispiel: Der Kollege kommt immer zu spät. Schon grämt die Chefin sich: „Der nimmt mich nicht ernst.“ Dabei ginge es ihr viel besser, wenn sie einfach mal annehmen würde, dass alles auch ganz anders sein könnte. Würde sie fragen, erführe sie vielleicht vom morgendlichen Trennungsdrama zwischen Vater und Kind – oder von anderen Dingen. Dann könnte sie vielleicht lo-ckerer und weiter springen.

Loslassen, abgeben und delegieren muss manche Vorgesetzte noch üben. Offenbar auch im privaten Leben. „Ich war erstaunt, wie wenige der Teilnehmerinnn sich zu Hause Entlastung organisiert haben“, wundert sich die Oldenburger Planerin Urte Bruncken. Kaum eine spanne den Partner gleichberechtigt ein – und auch Putzhilfen oder andere Entlastungen gebe es kaum. Die Mutter von zwei Kindern hat beobachtet, wie manche Mütter in der Mittagspause „schnell mal nach Hause sprangen, um die Familie zu versorgen“. Das wird nächstes Mal nicht mhr gehen: Da tagen wir ganze Wochenenden auswärts.“ ede

Informationen zum frauen-kontakt-studium, Carl von Ossietzky-Universität, Zentrum für wissenchaftliche Weiterbildung, z.H. Urte Bruncken, Postfach, 26111 Oldenburg. E-Mail: christiane.brokmann.nooren@uni-oldenburg.de